Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III/Vorlesung 69/kontrolle
Wir beginnen jezt mit der allgemeinen Integrationstheorie, die auf der Maßtheorie aufbaut. Wie schon im Fall von stetigen Funktionen
(zumeist -endlicher) Maßraum . Eine Funktion
(und innerhalb von ) liegt. Auf existiert unter gewissen schwachen Voraussetzungen das Produktmaß , und mit diesem Maß wird das Integral erklärt. Die Funktionen, die man sinnvoll integrieren kann, gehen weit über die stetigen Funktionen hinaus. Sie müssen allerdings mit den gegebenen Maßräumen verträglich sein, was zum Begriff der messbaren Funktion bzw. der numerischen Funktion führt.
- Messbare numerische Funktionen
Wir erinnern daran, dass wir
gesetzt haben. Diese Menge versehen wir mit einer - Algebra , zu der eine Teilmenge genau dann gehört, wenn eine Borel-Menge in ist. Man kann auf auch eine Topologie definieren derart, dass das zugehörige System der Borel-Mengen gleich ist. Die (halb)offenen Intervalle bilden wieder ein Erzeugendensysem für . Auch das Borel-Lebesgue-Maß lässt sich durch darauf ausdehnen, d.h. die beiden unendlichen Punkte kann man, wie jeden einzelnen Punkt, für das Borel-Lebesgue-Maß ignorieren.
Auch den Supremumsbegriff für Teilmengen und den Konvergenzbegriff für Folgen kann man auf in naheliegender Weise ausdehnen. Eine nach oben unbeschränkte Menge besitzt als Supremum, und eine Folge reeller Zahlen konvergiert gegen , wenn sie bestimmt gegen divergiert. Eine Funktion nennt man auch eine numerische Funktion.
Die Bedingungen (2), (3), (4), (5) sind jeweils notwendig, da halbseitig unbeschränkte Intervalle
Borel-Mengen
von sind.
Ist umgekehrt eine der Bedingungen (2), (3), (4) oder (5) erfüllt, so betrachtet man für
die Menge
(unter Bedingung (2) bzw. entsprechende Mengen unter den anderen Bedingungen).
Nach Voraussetzung sind dann auch die
Urbilder
von diesen
halboffenen Intervallen
messbare Teilmengen in . Da die halboffenen Intervalle nach
Lemma 63.10
ein
Erzeugendensystem
der
Borel-Mengen
von bilden, folgt die Aussage aus
Lemma 62.15.
Es sei ein Messraum und seien
messbare Funktionen. Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Funktion ist ebenfalls messbar.
- Es sei für alle . Dann ist auch die Funktion messbar.
- Die Funktionen und sind messbar.
- Die Funktion ist messbar. Wenn keine Nullstelle besitzt, so ist auch messbar.
Die Rechenoperationen , , , , , , und , , sind nach Lemma 20.5 und Lemma 20.6 stetig und daher nach Lemma 63.11 messbar. Ferner ist eine Hintereinanderschaltung von messbaren Abbildungen wieder messbar, und mit und ist nach Lemma 65.11 auch die Abbildung
messbar. Daher ergeben sich die Behauptungen durch Betrachten der Hintereinanderschaltungen
Die vorstehende Aussage könnte man auch für formulieren, wobei man dann allerdings noch einige Rechenregeln festlegen müsste.
Mit den zusätzlichen Symbolen und lassen sich insbesondere Grenzfunktionen von Funktionenfolgen einfach erfassen. Das Supremum einer Funktionenfamilie ist punktweise durch
definiert. Es kann den Wert annehmen, und zwar auch dann, wenn alle reellwertig sind.
Es sei eine abzählbare Indexmenge und ein Messraum. Es sei
() eine Familie von messbaren numerischen Funktionen.
Dann sind auch die Funktionen und messbar.
Für jedes ist
Zum Beweis dieser Gleichung sei links enthalten und vorgegeben. Wegen kann nicht
für alle gelten, da sonst das Supremum echt kleiner als wäre. Es gibt also ein mit , und gehört auch rechts dazu. Wenn umgekehrt zur rechten Menge dazugehört, so gibt es für jedes ein mit . Daher ist für alle und somit .
Die Menge rechts ist als abzählbarer Durchschnitt von abzählbaren Vereinigungen von nach Voraussetzung messbaren Mengen wieder messbar. Nach Lemma 69.2 folgt daraus die Messbarkeit der Supremumsabbildung. Die Messbarkeit der Infimumsabbildung beweist man ähnlich oder führt sie durch Betrachten der negativen Funktionen auf die Messbarkeit der Supremumsabbildung zurück.
Wir betrachten die konstante Funktionenfolge () auf einer beliebigen Menge . Deren Supremum ist die -Funktion. Dabei ist
aber
d.h. ohne den Durchschnitt über mit dem Abweichungsterm ist die Gleichung im Beweis zu Lemma 69.4 nicht richtig.
Es sei ein Messraum und sei
eine messbare numerische Funktion.
Dann ist auch die Betragsfunktion messbar.
Dies folgt wegen aus Lemma 69.3 (1) und aus Lemma 69.4.
Dieses Konzept ist hilfreich, um Aussagen für beliebige Funktionen auf nichtnegative Funktionen zurückführen zu können. Man beachte, dass beide Teile nichtnegativ sind. Nach Lemma 69.4 ist der positive als auch der negative Teil einer messbaren Funktionen wieder messbar. Es ist .
Es sei ein Messraum und sei
eine Folge von messbaren numerischen Funktionen, die punktweise gegen eine Grenzfunktion konvergiere.
Dann ist auch messbar.
Wir zeigen, dass die Urbilder von Mengen der Form unter der Grenzfunktion messbare Mengen sind. Daraus folgt nach Lemma 69.2 die Messbarkeit von . Für jedes gilt die Gleichheit
Zum Beweis dieser Gleichheit sei zuerst
.
Dann gilt auch
für ein hinreichend großes . D.h. dass eine offene Umgebung von ist. Dann gehört auch zur inneren Vereinigung der rechten Seite, da diese die mengentheoretische Formulierung für den Sachverhalt ist, dass es ein derart gibt, dass für alle
die Folgenglieder ebenfalls zu gehören. Wenn hingegen zur rechten Seite gehört, so bedeutet dies, dass es
derart gibt, dass für alle
die Beziehung
besteht. Dann gilt für den Limes
und damit
.
Die rechte Seite der Gleichung zeigt, dass es sich um eine messbare Menge handelt, da abzählbare Durchschnitte und abzählbare Vereinigungen von messbaren Mengen wieder messbar sind.
Ein äußerst wichtiges Konzept für die Integrationstheorie ist es, dass sich beliebige messbare Funktionen durch besonders einfache Funktionen approximieren lassen, für die das Integral eine Summe ist. Auf diesem Konzept beruhte schon das Riemann-Integral, das wir zu Beginn des zweiten Semesters entwickelt haben. Im Rahmen des Lebesgue-Integrals gibt es eine andere Art von Treppenfunktionen. Dabei wird nicht der Definitionsbereich in endlich viele einfache Stücke (Intervalle) unterteilt, sondern die Bildmenge soll besonders einfach sein.
Es sei ein Messraum. Eine messbare numerische Funktion
heißt einfach, wenn sie nur endlich viele Werte besitzt.
Es sei ein Messraum. Eine messbare numerische Funktion
heißt einfach, wenn sie nur abzählbar viele Werte besitzt.
Die Terminologie ist hierbei extrem uneinheitlich. Man findet für diese beiden Begriffe auch die Wörter Elementarfunktion und Treppenfunktion, wobei manchmal die Messbarkeit vorausgesetzt wird, manchmal nicht. Manchmal wird auch noch die Nichtnegativität vorausgesetzt.
Es sei ein Messraum und sei
eine messbare numerische nichtnegative Funktion.
Dann gibt es eine wachsende Folge von nichtnegativen einfachen Funktionen
die punktweise gegen konvergieren.
Die Idee ist, die Funktion im -ten Schritt durch eine einfache Funktion zu approximieren, deren Werte rationale Zahlen der Form mit sind. Dies sind nur endlich viele Zahlen. Für jede nichtnegative reelle Zahl ist entweder , oder es gibt ein eindeutig bestimmtes zwischen und mit . Daher ist die folgende einfache Funktion wohldefiniert.
Sie ist messbar, da aufgrund der Messbarkeit von die Mengen messbar sind. Die Folge dieser Funktionen wächst offenbar gegen .
Für jedes
gibt ab
die Folge den Wert der Dualbruchentwicklung für bis zur -ten Ziffer nach dem Komma an.
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