Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Vorlesung 21/kontrolle



Dimensionstheorie

Ein endlich erzeugter Vektorraum hat im Allgemeinen ganz unterschiedliche Basen. Wenn beispielsweise ein homogenes lineares Gleichungssystem in Variablen vorliegt, so ist nach Lemma 19.9 der Lösungsraum ein Untervektorraum von , und eine Basis des Lösungsraumes kann man aus dem äquivalenten Gleichungssystem in Stufenform errechnen. Da man aber im Eliminationsverfahren mehrere Wahlmöglichkeiten hat, kann man zu unterschiedlichen Basen des Lösungsraumes gelangen. Dabei ist es keineswegs selbstverständlich, dass die Anzahl der Basislösungen unabhängig vom eingeschlagenen Verfahren ist. In dieser Vorlesung werden wir allgemein zeigen, dass die Anzahl der Elemente in einer Basis eines Vektorraumes stets konstant ist und nur vom Vektorraum abhängt. Diese wichtige Eigenschaft werden wir nach einigen technischen Vorbereitungen beweisen und als Ausgangspunkt für die Definition der Dimension eines Vektorraumes nehmen.



Lemma  Lemma 21.1 ändern

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer Basis . Es sei ein Vektor mit einer Darstellung

wobei sei für ein bestimmtes .

Dann ist auch die Familie

eine Basis von .

Wir zeigen zuerst, dass die neue Familie ein Erzeugendensystem ist. Zunächst kann man wegen

und den Vektor als

schreiben. Es sei nun beliebig vorgegeben. Dann kann man schreiben


Zum Nachweis der linearen Unabhängigkeit nehmen wir zwecks Notationsvereinfachung an. Es sei

eine Darstellung der Null. Dann ist

Aus der linearen Unabhängigkeit der Ausgangsfamilie folgt insbesondere und wegen ergibt sich . Deshalb ist und daher gilt für alle .


Die vorstehende Aussage heißt Austauschlemma, die nachfolgende Austauschsatz.


Satz  Satz 21.2 ändern

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer Basis

Ferner sei

eine Familie von linear unabhängigen Vektoren in .

Dann gibt es eine Teilmenge

derart, dass die Familie

eine Basis von ist.

Insbesondere ist .

Wir führen Induktion über , also über die Anzahl der Vektoren in der Familie. Bei ist nichts zu zeigen. Es sei die Aussage für schon bewiesen und seien linear unabhängige Vektoren

gegeben. Nach Induktionsvoraussetzung, angewandt auf die

(ebenfalls linear unabhängigen) Vektoren

gibt es eine Teilmenge derart, dass die Familie

eine Basis von ist. Wir wollen auf diese Basis das Austauschlemma anwenden. Da eine Basis vorliegt, kann man

schreiben.  Wären hierbei alle Koeffizienten ,  so ergäbe sich sofort ein Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der , . Es gibt also ein mit . Wir setzen . Damit ist eine -elementige Teilmenge von . Nach dem Austauschlemma kann man den Basisvektor durch ersetzen und erhält die neue Basis

  Der Zusatz folgt sofort, da eine -elementige Teilmenge einer -elementigen Menge vorliegt.



Wir betrachten die Standardbasis des und die beiden linear unabhängigen Vektoren und , die wir mit Hilfe der Standardbasis gemäß dem im Beweis zum Basisaustauschsatz beschriebenen Verfahren zu einer Basis ergänzen wollen. Betrachten wir zunächst

Da sämtliche Koeffizienten nicht sind, kann man mit je zwei der Standardvektoren zu einer Basis ergänzen. Wir nehmen die neue Basis

Als zweiten Schritt wollen wir in die Basis mitaufnehmen. Es ist

Nach dem Beweis müssen wir rauswerfen, da es mit einem Koeffizienten in dieser Gleichung vorkommt ( dürften wir nicht rauswerfen). Die neue Basis ist somit




Satz  Satz 21.4 ändern

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einem endlichen Erzeugendensystem.

Dann besitzen je zwei Basen von die gleiche Anzahl von Basisvektoren.

Es seien und zwei Basen von . Aufgrund des Basisaustauschsatzes, angewandt auf die Basis und die linear unabhängige Familie ergibt sich . Wendet man den Austauschsatz umgekehrt an, so folgt , also insgesamt .


Dieser Satz erlaubt die folgende Definition.


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einem endlichen Erzeugendensystem. Dann nennt man die Anzahl der Vektoren in einer Basis von die Dimension von , geschrieben

Wenn ein Vektorraum nicht endlich erzeugt ist, so setzt man . Der Nullraum hat die Dimension . Einen eindimensionalen Vektorraum nennt man auch eine Gerade, einen zweidimensionalen Vektorraum eine Ebene, einen dreidimensionalen Vektorraum einen Raum (im engeren Sinn), wobei man andererseits auch jeden Vektorraum einen Raum nennt.



Es sei ein Körper und .

Dann besitzt der Standardraum die Dimension .

Die Standardbasis , , besteht aus Vektoren, also ist die Dimension .



Die komplexen Zahlen bilden einen zweidimensionalen reellen Vektorraum, eine Basis ist z.B. und .



Der Polynomring über einem Körper ist kein endlichdimensionaler Vektorraum. Es ist zu zeigen, dass es kein endliches Erzeugendensystem des Polynomringes gibt. Betrachten wir Polynome . Es sei das Maximum der Grade dieser Polynome. Dann hat auch jede - Linearkombination maximal den Grad . Insbesondere können Polynome von einem größeren Grad nicht durch dargestellt werden, und diese endlich vielen Polynome sind kein Erzeugendensystem für alle Polynome.


Die vorstehende Aussage folgt auch daraus, dass wir aufgrund von Beispiel ***** schon eine unendliche Basis, nämlich die Potenzen , des Polynomrings kennen. Dies schließt generell die Existenz einer endlichen Basis aus, siehe Aufgabe ***** {{:Kurs:Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Unendliche Basis/Endliche Basis/Aufgabe/Aufgabereferenznummer/Unendliche Basis/Endliche Basis/Aufgabe/Aufgabereferenznummer}} (der Beweis zu Satz 21.4 zeigt strenggenommen nur, dass zwei endliche Basen die gleiche Anzahl haben müssen).



Korollar  Korollar 21.9 ändern

Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei ein Untervektorraum.

Dann ist ebenfalls endlichdimensional und es gilt

Es sei . Jede linear unabhängige Familie in ist auch linear unabhängig in . Daher kann es aufgrund des Basisaustauschsatzes in nur linear unabhängige Familien der Länge geben. Es sei derart, dass es in eine linear unabhängige Familie mit Vektoren gibt, aber nicht mit Vektoren. Es sei eine solche Familie. Diese ist dann insbesondere eine maximal linear unabhängige Familie in und daher wegen Satz 20.12 eine Basis von .

Die Differenz

nennt man auch die Kodimension von in .


Es sei ein Körper. Man kann sich einfach einen Überblick über die Untervektorräume des verschaffen, als Dimension von Untervektorräumen kommt nach Korollar 21.9 nur  mit in Frage. Bei gibt es nur den Nullraum selbst, bei gibt es den Nullraum und selbst. Bei gibt es den Nullraum, die gesamte Ebene , und die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt. Jede solche Gerade hat die Gestalt

mit einem von verschiedenen Vektor . Zwei von verschiedene Vektoren definieren genau dann die gleiche Gerade, wenn sie linear abhängig sind. Bei gibt es den Nullraum, den Gesamtraum , die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt und die zweidimensionalen Ebenen durch den Nullpunkt.




Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit endlicher Dimension . Es seien Vektoren in gegeben.

Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.

  1. bilden eine Basis von .
  2. bilden ein Erzeugendensystem von .
  3. sind linear unabhängig.

Beweis

Siehe Aufgabe 21.1.


Der folgende Satz heißt Basisergänzungssatz.


Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum der Dimension . Es seien

linear unabhängige Vektoren in .

Dann gibt es Vektoren

derart, dass

eine Basis von bilden.

Es sei eine Basis von . Aufgrund des Austauschsatzes findet man Vektoren aus der Basis , die zusammen mit den vorgegebenen eine Basis von bilden.


Insbesondere kann man eine Basis eines Untervektorraumes stets zu einer Basis des Gesamtraumes ergänzen.


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