Kurs:Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)/Vorlesung 12



Graduierungen

Wir möchten Körpererweiterungen beschreiben, die eine besonders übersichtliche Struktur aufweisen und eng mit einfachen Radikalerweiterungen zusammenhängen. Insbesondere sind ihre Galoisgruppen und ihre Zwischenkörper häufig einfach beschreibbar.


Es sei ein Körper und eine kommutative Gruppe.[1] Eine - Algebra heißt -graduiert, wenn es eine direkte Summenzerlegung

mit - Untervektorräumen derart gibt, dass ist und für die Multiplikation auf die Beziehung

gilt.

In einer - graduierten - Algebra besitzt jedes Element eine eindeutige Darstellung

wobei nur endlich viele der ungleich sein können. Die heißen dabei die homogenen Komponenten von , die heißen ebenfalls die homogenen Komponenten von (oder -te Stufe) und Elemente heißen homogen vom Grad . Die Gruppe heißt die graduierende Gruppe. Der Fall ist erlaubt.

Durch eine Graduierung wird die Multiplikation auf einer Algebra übersichtlicher strukturiert. Man muss lediglich für homogene Elemente und die Produkte kennen, dadurch ist schon die gesamte Multiplikation distributiv festgelegt.




Es sei ein Körper und der Polynomring in Variablen über . Dieser ist in naheliegender Weise - graduiert. Man definiert für ein Monom den Grad durch und setzt als den Vektorraum aller Polynome an, die Linearkombinationen von Monomen vom Grad sind. Bei der Multiplikation von zwei Monomen verhält sich der Grad offensichtlich additiv, sodass dadurch eine graduierte -Algebra entsteht. Es ist und für negativen Grad . Diese Graduierung heißt auch die Standardgraduierung auf dem Polynomring.



Es sei ein Körper, und . Dann besitzt die Restklassenalgebra eine Graduierung mit der graduierenden Gruppe , und zwar setzt man (wobei die Restklasse von sei)

Jedes Element kann man durch ein Polynom repräsentieren, das maximal den Grad besitzt. Daher besitzt jedes eine Summendarstellung mit Summanden aus den . Diese Summenzerlegung ist direkt, da man mit der einzigen gegebenen Gleichung nicht weiter reduzieren kann. Die Multiplikationseigenschaft folgt aus , und dies ist gleich , falls ist, und andernfalls gleich . So oder so ist es ein Element aus .




Graduierte Körpererweiterungen

Im vorstehenden Beispiel ist es eine nicht-triviale Frage, unter welchen Bedingungen die Algebra wieder ein Körper ist. Falls ja, so liegt eine graduierte Körpererweiterung im Sinne der folgenden Definition vor.


Es sei ein Körper und eine endliche kommutative Gruppe. Unter einer -graduierten Körpererweiterung versteht man eine Körpererweiterung , bei der auf eine - Graduierung mit und für alle gegeben ist.


Die Körpererweiterung ist durch die Gruppe graduiert. Die -te homogene Komponente ist und die -te Komponente ist (das gehört da dazu, während man unter dem Imaginärteil einer komplexen Zahl die reelle Zahl vor dem versteht). Die übliche Schreibweise ist also die Zerlegung in die homogenen Komponenten.



Die - Algebra ist eine - graduierte -Algebra. Das Polynom besitzt keine Nullstelle in , es ist aber nicht irreduzibel, wie die Zerlegung

zeigt. Es liegt also keine graduierte Körpererweiterung vor.



Wir betrachten den von und erzeugten Unterkörper von (oder von ). Die Elemente bilden dabei unmittelbar ein - Erzeugendensystem und sogar eine Basis, da man andernfalls als rationale Linearkombination von und ausdrücken könnte. Damit liegt insgesamt eine Körpererweiterung vom Grad vier vor. Sei . Wir setzen

und erhalten dadurch eine - graduierte Körpererweiterung von .



Wir betrachten die Körpererweiterung

in . Diese besitzt eine - Graduierung, bei der eine homogene Basis bilden. Das (in dieser Graduierung nicht homogene) Element ist eine -te primitive Einheitswurzel und wegen ist der achte Kreisteilungskörper Das Minimalpolynom zu ist , sodass man auch schreiben kann. Dies zeigt, dass auch eine -graduierte Körpererweiterung von ist, bei der homogen ist.




Es sei ein Körper, eine endliche kommutative Gruppe und eine - graduierte Körpererweiterung. Dann gelten folgende Eigenschaften

  1. Jede homogene Stufe besitzt die - Dimension .
  2. Es ist .
  3. Es sei ein Erzeugendensystem von und es sei , , fixiert. Dann ist . Insbesondere wird von homogenen Elementen erzeugt.
  4. Jedes homogene Element , , besitzt ein Minimalpolynom der Form mit .
  5. Die Körpererweiterung ist eine Radikalerweiterung.

(1). Nach Voraussetzung ist . Es seien von verschieden und sei ebenfalls . Dann sind und Elemente in und daher besteht die Beziehung mit , die sich durch Multiplikation mit (dieses Element gibt es, da wir in einem Körper sind) zurückübersetzt zu .
(2) folgt direkt aus (1).
(3) ist klar wegen (1).
(4). Es sei die Ordnung von . Für ein homogenes Element , , ist daher

Also ist ein annullierendes Polynom. Die Potenzen , , liegen alle in verschiedenen homogenen Stufen. Daher sind sie linear unabhängig und es kann kein annullierendes Polynom von kleinerem Grad geben.
(5) folgt aus (3) und (4).



Charaktergruppe und Automorphismengruppe bei einer graduierten Körpererweiterung

Wir wollen nun die Automorphismen auf einer graduierten Körpererweiterung kennenlernen. Die Graduierung erlaubt es, die Automorphismen übersichtlich zu beschreiben, was für eine beliebige Körpererweiterung keineswegs selbstverständlich ist. Die Automorphismen hängen eng mit den sogenannten Charakteren der graduierenden Gruppe zusammen, so dass wir zuerst über Charaktere sprechen.


Es sei ein Monoid und ein Körper. Dann heißt ein Monoidhomomorphismus

ein Charakter von in .

Die Menge der Charaktere von nach bezeichnen wir mit . Mit dem trivialen Charakter (also der konstanten Abbildung nach ) und der Verknüpfung

ist selbst ein Monoid, und zwar ein Untermonoid des Abbildungsmonoid von nach . Da es zu jedem Charakter den inversen Charakter gibt, der durch

definiert ist, bildet sogar eine kommutative Gruppe(siehe unten).


Es sei ein Gruppe und ein Körper. Dann nennt man die Menge der Charaktere

die Charaktergruppe von (in ).


Zur Gruppe und zum Körper besteht die Charaktergruppe aus allen Gruppenhomomorphismen . Da ein solcher durch das Bild des Erzeugers festgelegt ist, und dieser auf eine -te Einheitswurzel geht, besteht eine natürliche Isomorphie zwischen der Charaktergruppe und der Gruppe der -ten komplexen Einheitswurzeln. Diese Gruppe ist selbst isomorph zu , aber nicht in kanonischer Weise.




Es sei eine Gruppe, ein Körper und die Charaktergruppe zu . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. ist eine kommutative Gruppe.
  2. Bei einer direkten Gruppenzerlegung ist .

Beweis

Siehe Aufgabe 12.12.



Es sei ein Körper, eine kommutative Gruppe und eine - graduierte kommutative - Algebra.

Dann gibt es einen Gruppenhomomorphismus

der Charaktergruppe von in die (homogene) - Automorphismengruppe von .

Wenn alle sind, so ist diese Zuordnung injektiv.

Zu jedem Charakter

ist die durch

definierte Abbildung mit der Addition verträglich. Die Verträglichkeit mit der Multiplikation folgt für homogene Elemente und aus

woraus sich aufgrund des Distributivgesetzes auch der allgemeine Fall ergibt. Für (und insbesondere für ) ist ferner , sodass ein - Algebrahomomorphismus vorliegt.
Der triviale (konstante) Charakter geht bei dieser Zuordnung auf die Identität. Es seien nun zwei Charaktere gegeben. Für ein homogenes Element ist

sodass die Gesamtzuordnung mit den Verknüpfungen verträglich ist. Daher gilt auch

sodass jedes ein - Algebraautomorphismus und die Gesamtzuordnung ein Gruppenhomomorphismus ist.
Die Injektivität ergibt sich unter Verwendung von Lemma 4.9 folgendermaßen. Bei gibt es ein mit . Nach Voraussetzung ist

sei also , . Damit ist , da eine Einheit ist. Also ist .



Es sei ein Körper, und derart, dass irreduzibel ist. Dann ist nach Korollar 7.7 und nach Beispiel 9.5 eine - graduierte Körpererweiterung.

Eine notwendige Voraussetzung für die Irreduzibilität von ist, dass in keine -te Wurzel besitzt, da sonst das Polynom sofort einen Linearfaktor besitzt. Bei oder ist diese Bedingung auch hinreichend. Bei und wenn die Charakteristik von nicht gleich ist, so ist und der nichttriviale Charakter

mit und definiert über Lemma 12.15 den nichttrivialen - Körperautomorphismus mit (wobei die Restklasse von sei), also die Konjugation in der quadratischen Körpererweiterung .




Fußnoten
  1. Diese Gruppe wird fast immer additiv geschrieben.



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