Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil II/Vorlesung 42



Normale Endomorphismen

Nach Satz 34.2 besitzt eine Isometrie über eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren und nach Satz 41.11 besitzt eine selbstadjungierte Abbildung (über oder ) ebenfalls eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren. Wir suchen nach einer Verallgemeinerung dieser beiden Aussagen über . Das Ergebnis ist der Spektralsatz für normale Endomorphismen, siehe Satz 42.9. Da es sich dabei um eine äquivalente Formulierung für die Existenz einer Orthonormalbasis aus Eigenvektoren handelt, ist eine weitere Verallgemeinerung nicht möglich.


Lineare Abbildungen

auf einem - Vektorraum heißen vertauschbar, wenn

gilt.


Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt . Ein Endomorphismus

heißt normal, wenn und der adjungierte Endomorphismus vertauschbar sind.

Es muss also

gelten. Ein selbstadjungierter Endomorphismus ist trivialerweise normal. Bei einer Isometrie ist der adjungierte Endomorphismus nach Beispiel 41.2 gleich , und somit ist eine Isometrie ebenfalls normal. Wenn der Endomorphismus bezüglich einer Orthonormalbasis durch die Matrix gegeben ist, so lautet die Normalitätsbedingung


In der zweidimensionalen Situation lautet die Normalitätsbedingung

was für die Einträge übersetzt zu den beiden Bedingungen

und

führt. Neben Diagonalmatrizen und Drehmatrizen haben beispielsweise reelle Matrizen der Form

diese Eigenschaft.



Die lineare Abbildung

besitze eine Orthonormalbasis (bezüglich des Standardskalarproduktes) aus Eigenvektoren, d.h. die beschreibende Matrix besitzt die Diagonalgestalt

Dann wird der adjungierte Endomorphismus nach Beispiel 41.4 durch die komplex-konjugierte Matrix

beschrieben. Diese beiden Matrizen sind offenbar vertauschbar, d.h. es liegt ein normaler Endomorphismus vor.


Die dritte Eigenschaft des folgenden Lemmas erklärt die Bezeichnung „normal“.


Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und sei

ein Endomorphismus. Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.

  1. ist normal.
  2. Für alle gilt
  3. Für alle gilt

Es ist

und unter Verwendung von Lemma 41.7  (3) ist

Wenn und vertauschen, so gilt also auch

für beliebige . Wenn dies umgekehrt gilt, so ist

für alle und daher sind die Endomorphismen vertauschbar. Daher sind (1) und (2) äquivalent. Von (2) nach (3) ist eine Einschränkung. Umgekehrt kann man aus (3) auch (2) gewinnen, da man das Skalarprodukt gemäß der Polarisationsformel aus der Norm erhalten kann.



Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und sei

ein Endomorphismus.

Dann ist ein Untervektorraum genau dann - invariant, wenn das orthogonale Komplement invariant unter ist.

Es sei invariant unter . Es sei und . Dann ist

Die Umkehrung ergibt sich daraus, dass die Situation wegen Korollar 32.13  (3) und Lemma 41.7  (3) symmetrisch ist.



Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und sei

ein normaler Endomorphismus.

Dann ist

Beweis

Siehe Aufgabe 42.4.



Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und sei

ein normaler Endomorphismus. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. ist ein Eigenwert von genau dann, wenn ein Eigenwert von ist.
  2. Ein Vektor ist ein Eigenvektor zum Eigenwert genau dann, wenn ein Eigenvektor zu zum Eigenwert ist.

Sei

dessen Kern der Eigenraum von zum Eigenwert ist. Der adjungierte Endomorphismus zu ist unter Verwendung von Lemma 41.7

Nach Aufgabe 42.14 ist auch normal und nach Lemma 42.7 ist somit



Es sei ein endlichdimensionaler komplexer Vektorraum mit Skalarprodukt und sei

ein Endomorphismus.

Dann ist genau dann normal, wenn es eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren zu gibt.

Es sei zunächst eine Orthonormalbasis von , wobei die Eigenvektoren zu seien. Die beschreibende Matrix ist dann eine Diagonalmatrix, deren Diagonaleinträge die Eigenwerte sind. Nach Lemma 41.6 wird der adjungierte Endomorphismus durch die konjugiert-transponierte Matrix beschrieben. Daher ist diese ebenfalls eine Diagonalmatrix und damit mit vertauschbar. Also ist normal.

Die Umkehrung beweisen wir durch Induktion über die Dimension von . Es sei also normal. Der eindimensionale Fall ist klar. Aufgrund des Fundamentalsatzes der Algebra gibt es einen Eigenvektor von , den wir als normiert annehmen können. Nach Lemma 42.8  (2) ist auch ein Eigenvektor zu . Daraus folgt mit Lemma 42.6, dass invariant unter ist. Die Einschränkung von auf ist wieder normal und die Induktionsvoraussetzung liefert die Behauptung.

Die vorstehende Aussage ist im Reellen nicht richtig, wie jede nichttriviale Drehung zeigt.



Hauptachsentransformation

Wir wenden nun die Ergebnisse der letzten Vorlesung auf hermitesche Formen an. Man spricht von Hauptachsentransformation, wobei sich dieser Begriff wohl erst in der nächsten Vorlesung klärt. Da wir im Komplexen arbeiten, erwähnen wir kurz, dass sich die Begriffe positiv definit, negativ definit und Typ, die wir für eine reell-symmetrische Bilinearform definiert haben, direkt auf komplex-hermitesche Sesquilinearformen übertragen. Auch der Sylvestersche Trägheitssatz gilt mit dem gleichen Beweis entsprechend.


Es sei ein endlichdimensionaler komplexer Vektorraum mit einer hermiteschen Sesquilinearform vom Typ .

Dann ist die Gramsche Matrix von bezüglich einer jeden Orthogonalbasis eine Diagonalmatrix mit positiven reellen und negativen reellen Einträgen.

Daraus folgt auch unmittelbar, dass wenn man mit einer reell-symmetrischen Bilinearform auf dem startet und diese als hermitesche Sesquilinearform auf dem auffasst, der reelle Typ mit dem komplexen Typ übereinstimmt. Der große Vorteil der komplexen Situation ist, dass der Fundamentalsatz der Algebra zur Verfügung steht, was die Existenz von Eigenwerten sichert. Selbst wenn man wie in Lemma 41.10 weiß, dass alle Eigenwerte reell sind, so wird deren Existenz über die komplexen Zahlen gesichert.



Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und es sei eine hermitesche Form auf , die dem selbstadjungierten Endomorphismus

im Sinne von Lemma 41.12 entspricht. Es sei der Typ von .

Dann ist die Anzahl der positiven Eigenwerte und die Anzahl der negativen Eigenwerte von , wobei man diese Anzahl mit der (algebraischen oder geometrischen) Vielfachheit nehmen muss.

Nach Lemma 41.10 zerfällt das charakteristische Polynom von in reelle Linearfaktoren. Es seien die positiven Nullstellen und die negativen Nullstellen. Nach Satz 41.11 liegt eine direkte, bezüglich des Skalarproduktes orthogonale Summenzerlegung

vor (wobei der Nullraum sein kann). Für Vektoren und aus verschiedenen Eigenräumen ist

sodass die Eigenräume auch bezüglich der Form orthogonal sind. Für

mit ist

Auf diesem Unterraum ist also die eingeschränkte Form positiv definit, sodass

ist. Wäre echt größer als diese Dimension, so würde es einen -dimensionalen Untervektorraum derart geben, dass die Einschränkung von darauf positiv definit ist und so, dass nach Korollar 9.8

ist. Dies ergibt direkt einen Widerspruch, da auf dem rechten Raum die Form negativ semidefinit ist. Also ist

Die Argumentation für verläuft gleich.


Wir können nun den Beweis zum Eigenwertkriterium für den Typ einer reell-symmetrischen Bilinearform nachtragen. Dieser ergibt sich unmittelbar aus Satz 42.11.

Das Minorenkriterium für den Typ gilt auch komplex, wobei man zuerst zeigen muss, dass die Minoren alle reellwertig sind.


Der folgende Satz heißt Satz über die Hauptachsentransformation.


Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit Skalarprodukt und es sei eine hermitesche Form auf .

Dann gibt es eine Orthonormalbasis von (bezüglich des Skalarproduktes), die eine Orthogonalbasis bezüglich ist.

Nach Lemma 41.12  (2) und Lemma 41.12  (4) ist

für einen selbstadjungierten Endomorphismus

Nach Satz 41.11 gibt es eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren zu mit den Eigenwerten . Für diese Basis gilt

Daher liegt auch eine Orthogonalbasis bezüglich vor.

In diesem Zusammenhang heißen die Eigengeraden auch Hauptachsen und die Eigenwerte auch Hauptwerte.

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