Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 16/kontrolle
- p-Integrierbarkeit
Es sei eine reelle Zahl und ein Maßraum. Eine messbare Funktion
heißt integrierbar, wenn endlich ist.
Der Menge aller -integrierbaren Funktionen wird mit
bezeichnet, es handelt sich um einen -Vektorraum.
Wir betrachten die natürlichen Zahlen als Maßraum mit dem Zählmaß. Die Funktionen
sind einfach die -wertigen Folgen, diese sind automatisch messbar. Die - Integierbarkeit ist in diesem Fall einfach die -Summierbarkeit, es geht also um diejenigen Folgen , für die
gilt. Die sind von daher eher als Reihenglieder denn als Folgenglieder anzusehen. Für handelt es sich um die absolute Konvergenz der Reihe bzw. schlicht um die Summierbarkeit, für spricht man von quadratsummierbaren Folgen. Die harmonische Reihe ist nicht summierbar, aber -summierbar und sogar -summierbar für jedes .
Es sei eine reelle Zahl und ein Maßraum.
Dann ist die Menge der - integrierbaren Funktionen ein - Vektorraum.
Beweis
Es sei eine reelle Zahl und ein Maßraum. Zu einer - integrierbaren Funktion nennt man
die Norm von .
Häufig möchte man auch für zu Lemma 16.3 entsprechende Funktionenräume mit einer entsprechenden Halbnorm zur Verfügung haben. Zu einer messbaren Funktion auf einem Maßraum setzt man
Diese Zahl (die eventuell sein kann) nennt man auch das wesentliche Supremum von . Die entscheidende Eigenschaft ist, dass zwar auch Werte oberhalb dieses wesentlichen Supremums annehmen kann, aber nur auf einer Nullmenge. Man nennt wesentlich beschränkt, wenn ihr wesentliches Supremum eine reelle Zahl ist. Mit bezeichnet man den Vektorraum der wesentlich beschränkten Funktionen auf , auf diesem ist eine Halbnorm.
Es sei ein Maßraum. Dann sind für eine messbare Funktion folgende Aussagen äquivalent.
- Es ist fast überall.
- Es gibt ein
mit
- Für alle
ist
Beweis
Wir werden zeigen, dass die -Norm eine
Halbnorm
auf ist und daher nach
Lemma 15.11
auf einem geeigneten
Restklassenraum
eine Norm ist. Die folgende Aussage heißt Höldersche Abschätzung oder Höldersche Ungleichung.
Es seien reelle Zahlen mit
und es sei ein Maßraum. Es seien
messbare Funktionen, die - bzw. -integrierbar seien.
Dann gilt
Bei ist die Aussage nach Lemma 16.6 klar, wir können also von ausgehen. Zu wenden wir auf und die Abschätzung
(siehe Aufgabe 20.25 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))) an und erhalten
Multiplikation mit dem Vorfaktor ergibt die Behauptung.
Es sei , für die anderen Fälle siehe die Aufgaben. Wegen
können wir und als reellwertig und nichtnegativ annehmen. Es sei die durch die Bedingung
bestimmte Zahl, also
Mit Lemma 16.7 folgt
Wir können nun mit kürzen (wenn diese Zahl gleich ist, stimmt die Aussage sowieso).
Es sei ein Maßraum und .
Dann ist auf dem - Vektorraum der - integrierbaren Funktionen eine Halbnorm.
Die Dreiecksabschätzung ist Lemma 16.8, die anderen Eigenschaften sind klar.
Zu einem Maßraum betrachten wir
Dies ist ein - Vektorraum, der aus allen messbaren Funktionen besteht, für die die Menge eine Nullmenge ist. Nach Lemma 16.6 stimmt dieser Raum mit dem Raum aller Funktionen überein, für die die -Norm gleich ist. Daher liegt für jede reelle Zahl die Unterraumbeziehung
vor, und entspricht für jeden dem Untervektorraum aus Lemma 15.11.
Zu einem Maßraum und einer reellen Zahl definiert man die Räume durch
Wir betrachten die natürlichen Zahlen als Maßraum mit dem Zählmaß, siehe Beispiel 16.2. Dabei ist die Nullfolge die einzige Folge, deren Träger das Maß besitzt, d.h. es ist und es erübrigt sich der Übergang von nach .
Nach Lemma 16.3 ist ein - Vektorraum, auf dem nach Lemma 16.8 eine Halbnorm ist. Nach Lemma 16.6 besteht genau aus den Funktionen, deren Norm gleich ist. Deshalb folgt die Aussage aus Lemma 15.11.
Wegen der Identifizierung von Funktionen, die sich nur in einer Nullmenge unterscheiden, kann man bei Funktionsklassen nicht unmittelbar von punktweiser Konvergenz sprechen. Man kann allerdings davon sprechen, dass fast überall punktweise Konvergenz vorliegt. Die folgende Aussage sichert, dass dies auch auf eine wohldefinierte Eigenschaft ist.
Es sei ein Maßraum und . Es seien messbare Funktionen und seien und Folgen von messbaren Funktionen auf . Es sei fast überall und es sei fast überall.
Dann konvergiert fast überall gegen genau dann, wenn fast überall gegen konvergiert.
Beweis
Entsprechend kann man ähnliche Sprechweisen über messbare Funktionen auf auf Funktionsklassen in übertragen.
Es sei ein - endlicher Maßraum und . Es sei eine Folge von messbaren Funktionen auf , die fast überall gegen die messbare Funktion konvergiere. Es gebe ein reellwertiges , das fast überall für alle eine obere Schranke sei.
Dann konvergiert auch in gegen .
Die Bedingung sichert einerseits, dass die zu gehören, und andererseits, dass auch fast überall gilt, weshalb wiederum zu gehört. Es konvergiert und damit auch fast überall gegen . Wegen
und wegen können wir auf die Folge den Satz von der majorisierten Konvergenz anwenden und erhalten , also konvergiert in der -Norm gegen .
Es sei ein - endlicher Maßraum und . Es sei eine Folge von Funktionen in derart, dass die reelle Reihe konvergiert.
Dann konvergiert die Funktionenreihe fast überall und auch bezüglich der -Norm gegen eine Funktion .
Es sei . Wir betrachten die Partialsummen
und die Grenzfunktion
die auch den Wert annehmen kann. Daher ist auch
und nach dem Satz von der monotonen Konvergenz ist
Für Potenzieren mit dem Exponenten und erhalten
Wegen
für alle ist dies beschränkt. Es folgt und insbesondere ist integrierbar. Dies bedeutet, dass allenfalls auf einer Nullmenge den Wert annimmt. Die Funktionenreihe ist also außerhalb einer Nullmenge punktweise konvergent und daher ist nach Lemma 16.14 auch die Funktionenreihe außerhalb einer Nullmenge punktweise konvergent gegen eine Funktion . Mit Lemma 16.14 folgt, dass auch Konvergenz bezüglich der -Norm vorliegt.
Die folgende Aussage heißt Vollständigkeitssatz von Fischer-Riesz.
Es sei ein - endlicher Maßraum.
Dann ist der Lebesgueraum der - integrierbaren Funktionen vollständig.
Es sei eine Folge von (Äquivalenzklassen von) -integrierbaren Funktionen auf , die bezüglich der -Norm eine Cauchy-Folge bilden. Da wir zu einer Teilfolge übergehen können, können wir (nach neuer Indizierung) annehmen, dass
ist. Wir setzen , und es gilt
Nach Lemma 16.15 konvergiert die Reihe fast überall und bezüglich der -Norm gegen eine Funktion . Daher konvergiert die Folge
gegen in den beiden beschriebenen Sinnen.
Diese Aussage besagt also, dass ein Lebesgueraum ein
Banachraum
ist.