Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 23



Fourierreihen

Unter den periodischen Funktionen spielen die trigonometrischen Funktionen und bzw. die komplexe Exponentialfunktion eine besondere Rolle, die die Periode haben. Neben diesen enthält man weitere periodische Funktionen, indem man das Argument bzw. durch ganzzahlige Vielfache bzw. ersetzt. Diese haben die kleineren Perioden , aber bleibt eine Periode. Im Rahmen der Fourieranalysis (man spricht auch von harmonischer Analysis) möchte man periodische Funktionen als Reihen von trigonometrischen Funktionen darstellen. Eine periodische Funktion mit Periode ist vollständig bestimmt durch ihren Verlauf auf dem Intervall . Wir arbeiten im Kontext von Hilberträumen und insbesondere in , der Übergang vom halboffenen zum abgeschlossen Intervall ist für diesen Funktionenraum unerheblich. Besonders wichtig sind die Periodenlängen und , wir werden zumeist eine beliebige Periodenlänge zulassen und dann setzen.

Die Funktionen sind auf quadratintegrierbar, wie sofort aus der Beschränktheit folgt. Daher sichert Lemma 21.3, dass die folgenden Definitionen sinnvoll sind. Insbesondere kann man sie auf messbare beschränkte periodische Funktionen und auf stückweise stetige Funktionen auf anwenden.


Es sei und sei eine auf quadratintegrierbare - periodische Funktion. Dann nennt man (zu )

den -ten (komplexen) Fourierkoeffizienten.

Bis auf den Vorfaktor ist dieser Koeffizient gleich dem - Skalarprodukt .


Es sei und sei eine auf quadratintegrierbare - periodische Funktion. Dann nennt man (zu bzw. für die -Koeffizienten)

und

die -ten (reellen) Fourierkoeffizienten.

Nur wenn reellwertig ist sind die Koeffizienten bzw. reell, die Koeffizienten sind auch in diesem Fall nicht reell.



Es sei und sei eine auf quadratintegrierbare - periodische Funktion.

Dann besteht zwischen den reellen und den komplexen Fourierkoeffizienten von die Beziehungen

Unter Verwendung von Satz 15.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))  (1) ist

Bei ist dies , bei muss man zum Negativen übergehen und noch einmal Satz 15.10 (Analysis (Osnabrück 2021-2023))  (3) verwenden.



Es sei und .

Dann bildet die Familie

zu ein Orthonormalsystem im Hilbertraum .

Es ist

Bei ist dies

Bei ist dies



Es sei und .

Dann besteht die von den

zu erzeugte - Algebra aus allen endlichen Summen .

Diese Algebra enthält mit jeder Funktion auch ihre komplex-konjugierte Funktion und trennt die Punkte aus .

Wegen

ist die Familie (bis auf den skalaren Vorfaktor) unter Multiplikation abgeschlossen. Daher sind die endlichen Linearkombinationen der auch multiplikativ abgeschlossen und bilden eine -Algebra, der Fall sichert, dass auch die Konstanten dazu gehören. Wegen

ist die Algebra auch unter komplexer Konjugation abgeschlossen. Die Trennung ist allein schon durch die Funktion gesichert.


Ausdrücke der Form

zu einer endlichem Indexmenge nennt man auch trigonometrische Polynome. Zumeist schreibt man sie als .



Es sei und .

Dann bildet die Familie

zu ein vollständiges Orthonormalsystem im Hilbertraum .

Die Orthonormalitätsrelationen wurden in Lemma 23.4 gezeigt. Nach Lemma 23.5 ist die von den erzeugte Algebra punktetrennend und stimmt mit dem erzeugten Vektorraum überein. Nach dem komplexen Satz von Stone-Weierstrass gibt es zu jeder stetigen Funktion

und jedem ein trigonometrisches Polynom mit

für alle . Die entsprechende Approximationseigenschaft gilt dann auch in der -Norm. Die beschriebene Algebra ist also dicht in . Nach Korollar 20.10 ist die Algebra dann auch dicht in .


Aus Satz 23.6 folgt mit Satz 22.10, dass jede quadratintegrierbare Funktion

eine konvergente Darstellung

besitzt, die Konvergenz ist dabei im Sinne der -Norm zu verstehen. Im Allgemeinen liegt keine punktweise Konvergenz vor. Es ist

und somit

mit den komplexen Fourierkoeffizienten . Diese beziehen sich also nicht unmittelbar auf das Orthonormalsystem, sondern auf eine skalierte Version davon. Die Darstellung nennt man die Fourierreihe zu , auch wenn über aufsummiert wird. Man spricht auch von der Fourierentwicklung. Die Umformung

unter Verwendung von Lemma 23.3 ergibt die Darstellung mit den reellen Koeffizienten.



Es sei eine periodische stetige und stückweise stetig differenzierbare Funktion.

Dann konvergiert die Fourierreihe von gleichmäßig und insbesondere punktweise gegen .

Es sei die Periodenlänge. Die stückweise existierende Ableitung von ist stückweise stetig und ebenfalls periodisch, daher gibt es eine Fourierentwicklung

Dabei ist

Es ist

wobei die Abschätzung rechts summandenweise auf beruht. Nach der Besselschen Abschätzung sind die Betragsquadrate summierbar und nach Beispiel 9.12 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)) sind die Quadrate der Stammbrüche summierbar und somit sind die Beträge der Fourierkoeffizienten zu summierbar. Da die Beträge der Exponentialfunktionen auf durch beschränkt sind, ergibt sich die gleichmäßige Konvergenz aus Satz 16.6 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)).


Auch wenn nur stückweise stetig und stückweise stetig differenzierbar ist, liegt auf jedem Teilintervall ohne Sprungstellen gleichmäßige Konvergenz vor.



Bernoulli-Polynome

Jedes Polynom kann man auf einschränken und dann -periodisch fortsetzen. Wir wollen verstehen, wie die zugehörigen Fourierreihen aussehen. Die Bernoulli-Polynome , , bilden eine Familie von normierten Polynomen vom Grad mit vergleichsweise übersichtlichen Fourierreihen. Aus diesen kann man die Fourierreihe zu jedem Polynom linear berechnen.


Die Bernoulli-Polynome für sind Polynome vom Grad , die rekursiv definiert werden: ist das konstante Polynom mit dem Wert und Polynom ist durch die beiden Bedingungen festgelegt: ist eine Stammfunktion von und es ist

Die ersten Bernoulli-Polynome lauten.



Die Identität auf dem Einheitsintervall (die Sägezahnfunktion)

besitzt die Fourierreihe

Mit partieller Integration ist für

da der hintere Integrand eine periodische Stammfunktion besitzt. Ferner ist . Somit ist gemäß Lemma 23.3 und

Die Fourierreihe ist also



Die Bernoulli-Polynome besitzen auf dem Einheitsintervall die folgenden Darstellungen als Fourierreihen.

im geraden Fall () und

im ungeraden Fall.

Es seien bzw. die rechten Seiten der Gleichung. Wir zeigen, dass diese die gleichen Rekursionen wie die Bernoulli-Polynome erfüllen und daher mit diesen übereinstimmen müssen. Zunächst ist

nach Lemma 23.9. Es ist

und

Ferner ist und , woraus die Normierungseigenschaft über das Integral folgt.



Es ist

Satz 23.10 für besagt

wobei Konvergenz im Sinne der -Norm vorliegt. Wegen

kann man Satz 23.7 anwenden, die Konvergenz liegt also auch punktweise vor. Für ergibt dies

also


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