Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil III/Vorlesung 70
- Ausschöpfungseigenschaften
Die folgenden Rechenregeln für Integrale beruhen auf dem Ausschöpfungssatz für Maße. Man kann den Subgraphen sowohl dadurch ausschöpfen, dass man die Grundmenge ausschöpft, als auch dadurch, dass man die Funktion ausschöpft, also durch andere Funktionen approximiert.
Es sei ein - endlicher Maßraum und sei eine abzählbare Zerlegung in messbare Teilmengen.
Dann gilt für eine integrierbare messbare numerische Funktion die Beziehung
Die beiden Subgraphen zum positiven und zum negativen Teil, also und , haben endliches Maß, und es gilt
und
Daher folgt die Aussage für die beiden Teile direkt aus der -Additivität des Maßes . Daraus folgt die Aussage für aus dem großen Umordnungssatz.
Es sei ein - endlicher Maßraum und sei , , eine messbare Ausschöpfung von .
Dann gilt für eine integrierbare messbare numerische Funktion die Beziehung
Durch Betrachten von und kann man annehmen, dass nichtnegativ ist. Dann schöpfen die Subgraphen den Subgraphen aus und die Aussage folgt aus Lemma 63.4.
Den folgenden Satz nennt man Satz von der monotonen Konvergenz oder Satz von Beppo Levi.
Es sei ein - endlicher Maßraum und sei
eine wachsende Folge von nichtnegativen messbaren numerischen Funktionen mit der Grenzfunktion .
Dann gilt
Zunächst ist die Grenzfunktion nach Korollar 68.8 wieder messbar, sodass das Integral links wohldefiniert ist. Für die „halboffenen“ Subgraphen gilt die Beziehung . Daher ist nach Lemma 63.4
Wegen Lemma 69.6 ist dies die Behauptung.
Es sei ein - endlicher Maßraum und sei
eine messbare nichtnegative numerische Funktion.
Dann ist das Integral gleich dem Supremum der Integrale zu allen einfachen Funktionen .
Dies folgt aus Lemma 68.11 und aus Satz 70.3.
Hierbei ist wichtig, dass man beliebige einfache Funktionen und nicht nur, wie beim Riemann-Integral, die Treppenfunktionen zur Verfügung hat.
- Lebesgue-Integral und Riemann-Integral
Wir nehmen an, dass nichtnegativ ist. Es seien
eine obere bzw. eine untere Treppenfunktion, wobei wir die untere Treppenfunktion ebenfalls als nichtnegativ annehmen können. Dann gilt aufgrund der Monotonie des Maßes die Beziehung
Die beiden Subgraphen zu den Treppenfunktionen
und
sind dabei jeweils eine endliche
disjunkte Vereinigung
von
(halboffenen)
Rechtecken. Daher sind die beiden äußeren Integrale aufgrund der Definition des
Produktmaßes
gleich dem
Treppenintegral.
Somit ist das Integral kleiner/gleich jedem
oberen Treppenintegral
und größer/gleich jedem
unteren Treppenintegral
von . Diese Abschätzungen gelten dann auch für das
Infimum
der oberen Treppenintegrale bzw. das
Supremum
der unteren Treppenintegrale. Da diese aufgrund der Riemann-Integrierbarkeit übereinsimmen, muss das maßtheoretische Integral gleich dem Riemann-Integral sein.
Auf die Voraussetzung, dass die Riemann-integrierbare Funktion messbar ist, kann man dabei nicht verzichten.
- Linearität des Integrals
Es sei ein - endlicher Maßraum. Es seien integrierbare messbare reellwertige Funktionen auf und .
Dann ist auch integrierbar, und es gilt
Durch Betrachten des positiven und des negativen Teils kann man die Behauptung auf den Fall von nichtnegativen Funktionen und nichtnegativen Zahlen zurückführen. Wir behandeln die Additivität und die Verträglichkeit mit der Skalarmultiplikation getrennt. Nach Lemma 68.11 gibt es wachsende Folgen bzw. von messbaren einfachen Funktionen, die punktweise gegen bzw. konvergieren. Dann konvergiert auch wachsend und punktweise gegen . Zwei einfache Funktionen und können wir bezüglich einer geeigneten (endlichen) Zerlegung , , von als und schreiben. Damit gilt (bei messbar)
und die Verträglichkeit mit der Summe gilt für einfache Funktionen.
Nach dem
Satz von der monotonen Konvergenz
und
Lemma 6.1
gilt
Der Beweis für die skalare Multiplikation verläuft ähnlich, siehe
Aufgabe 69.5.
- Weitere Konvergenzsätze
Wir erinnern daran, dass ein Häufungspunkt einer Folge in einem metrischen Raum ein Punkt mit der Eigenschaft ist, dass es in jeder -Umgebung des Punktes unendlich viele Folgenglieder gibt.
Es sei eine Folge reeller Zahlen und es sei die Menge der Häufungspunkte dieser Folge. Dann setzt man
und
und nennt diese Zahlen den Limes inferior bzw. den Limes superior der Folge. (Wenn es keinen Häufungspunkt gibt, so ist dies als bzw. als zu interpretieren).
Für eine Folge von numerischen Funktionen wird der Limes inferior und der Limes superior punktweise definiert. Für messbare Funktionenfolgen sind dies wieder messbare Funktionen, siehe Aufgabe 70.7.
Die folgende Aussage heißt Lemma von Fatou.
Es sei ein - endlicher Maßraum und es sei
eine Folge von nichtnegativen messbaren numerischen Funktionen.
Dann gilt
Die Funktionen und sind nach Aufgabe 70.7 bzw. Lemma 68.4 messbar, und die Folge konvergiert nach Aufgabe 70.6 wachsend gegen . Wir können den Satz von der monotonen Konvergenz anwenden und erhalten
Für jedes ist wegen
für alle auch
für alle und damit
wobei die Gleichheit rechts darauf beruht, dass Häufungspunkte nicht von endlich vielen Folgengliedern abhängen. Dies ergibt insgesamt die Behauptung.
Wir kommen zum Satz von der majorisierten Konvergenz, der auch Satz von Lebesgue heißt.
Es sei ein - endlicher Maßraum und es sei
eine punktweise konvergente Folge von messbaren Funktionen. Es gebe eine messbare integrierbare Funktion
mit für alle und alle .
Dann ist auch die Grenzfunktion integrierbar, und es gilt
Die Majorante sichert nach Lemma 69.5, dass die integrierbar sind; da diese Abschätzung auch für die Grenzfunktion gilt, ist diese ebenfalls integrierbar. Wir wenden das Lemma von Fatou auf die beiden nichtnegativen Funktionenfolgen und an und erhalten unter Verwendung der Linearität einerseits
und andererseits
Zusammenfassend ergibt sich
Daher stimmt der Limes inferior von mit dem Limes superior davon überein und somit ist dies nach Aufgabe 70.5 gleich dem Limes von .
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