Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil II/Vorlesung 35/kontrolle



Winkeltreue Abbildungen

Eine lineare Abbildung

zwischen euklidischen Vektorräumen und heißt winkeltreu, wenn für je zwei Vektoren die Beziehung

gilt.

Da Winkel nur für von verschiedene Vektoren definiert sind, müssen winkeltreue Abbildungen injektiv sein. Eine Isometrie ist insbesondere winkeltreu, da ja sowohl die Norm als auch der Winkel unter Bezug auf das Skalarprodukt definiert werden und dieses sich bei einer Isometrie nicht ändert. Weitere Beispiele für winkeltreue Abbildungen sind Streckungen um einen von verschiedenen Streckungsfaktor, siehe Aufgabe 35.1. Bei einer winkeltreuen Abbildung werden insbesondere zueinander orthogonale Vektoren auf orthogonale Vektoren abgebildet.


Es sei

eine - lineare Abbildung, die durch die Multiplikation mit der komplexen Zahl

gestiftet wird. Bezüglich der reellen Basis von wird diese Abbildung durch die reelle - Matrix

beschrieben. Diese schreiben wir als

Somit liegt die Hintereinanderschaltung von einer Isometrie (einer Drehung) und einer Streckung mit dem Streckungsfaktor

und insbesondere eine winkeltreue Abbildung vor.




Es sei

eine winkeltreue lineare Abbildung auf dem euklidischen Vektorraum .

Dann gibt es eine Isometrie

und eine Streckung

mit

Es sei

und es sei

wobei die Dimension von sei. Es sei die Streckung mit dem Faktor und wir betrachten die Abbildung

Diese Abbildung ist nach wie vor winkeltreu und ihre Determinante ist oder . Nach Aufgabe 33.18 ist eine Isometrie.


Bei einer winkeltreuen Abbildung

zwischen euklidischen Vektorräumen und werden nicht nur die Winkel am Nullpunkt, sondern überhaupt alle Winkel erhalten. Für Punkte stimmt ja der Winkel des Dreiecks an wegen

mit dem Winkel an des Bilddreiecks überein.



Abstände zwischen Mengen

Zu zwei nichtleeren Teilmengen in einem metrischen Raum nennt man

den Abstand der Teilmengen und .

Speziell werden wir dieses Konzept auf normierte Vektorräume und auf euklidische Vektorräume anwenden. Zu zwei Punkten ist der Abstand zwischen den Mengen und natürlich gleich .

Wir werden uns hauptsächlich mit Situationen beschäftigen, in denen das Infimum angenommen wird, also ein Minimum ist. Für lineare Objekte ist dieses Verhalten typisch.



Lemma  Lemma 35.6 ändern

Es sei ein euklidischer Vektorraum, ein Untervektorraum und .

Dann ist derjenige Punkt auf , der unter allen Punkten auf zu den minimalen Abstand besitzt.

Insbesondere ist

Zu ist nach dem Satz des Pythagoras

da ja und aufeinander senkrecht stehen. Der Ausdruck wird minimal genau dann, wenn ist, was genau bei

der Fall ist.


In diesem Zusammenhang nennt man auch den Lotfußpunkt von auf .



Korollar  Korollar 35.7 ändern

Es sei ein euklidischer Vektorraum, ein Untervektorraum und . Es sei eine Orthonormalbasis von . Dann ist

Nach Lemma 35.6 ist

und nach Lemma 32.14 ist

Wir ergänzen die Orthonormalbasis zu einer Orthonormalbasis von . Also ist unter Verwendung des Satzes des Pythagoras



Es sei und der von dieser Auswahl an Standardvektoren aufgespannte Achsenunterraum. Sei

Dann ist der Abstand von zu gleich

Der Lotfußpunkt von auf ist

mit




Es sei ein Vektor mit und

der durch als Normalenvektor definierte Untervektorraum.

Dann ist für einen Vektor der Abstand zu gleich

Es sei eine Orthonormalbasis von und

Dann ist

und nach Lemma 35.6 ist

was in Verbindung mit

das Resultat liefert.


Die bisherigen Überlegungen übertragen sich direkt auf affine Unterräume.


Es sei ein reeller affiner Raum über einem euklidischen Vektorraum , ein Punkt und ein affiner Unterraum. Bei ist der Abstand von zu gleich . Im Allgemeinen schreibt man

mit einem Aufpunkt und mit einem Untervektorraum und bestimmt das orthogonale Komplement von in . Wenn eine Basis von und eine Basis von ist, so gibt es eine eindeutige Darstellung

Es ist dann

der Lotfußpunkt von auf und der Abstand von zu ist

Wenn die eine Orthonormalbasis von bilden, so ist dies gleich .



Wir wollen in der euklidischen Ebene den Abstand des Punktes zu der Geraden , die durch gegeben ist, berechnen. Die Gerade hat die Form

und ist ein zu orthogonaler Vektor. Es ist

Somit ist der Lotfußpunkt gleich

und der Abstand ist




Lemma  Lemma 35.12 ändern

Es sei ein euklidischer Vektorraum und seien und nichtleere affine Unterräume mit den Untervektorräumen . Es sei

mit , und .

Dann ist der Abstand gleich und wird in den Punkten und angenommen.

Insbesondere steht der Verbindungsvektor zu Punkten, in denen der minimale Abstand angenommen wird, sowohl auf als auch auf senkrecht.

Es sei also mit , und , wobei es eine solche Zerlegung immer gibt, und wobei nicht eindeutig bestimmt sein müssen (falls ist), aber eindeutig bestimmt ist. Es ist dann

und dabei ist und . Der Abstand zwischen und ist . Für beliebige Punkte und mit und ist

d.h.


In der vorstehenden Aussage sind die Punkte, in denen das Minimum angenommen wird, nicht eindeutig bestimmt, man denke beispielsweise an zwei parallele Geraden in der Ebene. Eindeutigkeit liegt vor, wenn der Durchschnitt der zu gehörenden Untervektorräume gleich ist. Dies ist bei windschiefen Geraden der Fall.


Beispiel  Beispiel 35.13 ändern

Zwei (affine) Geraden heißen windschief, wenn sie keinen gemeinsamen Punkt haben und auch nicht parallel sind, ihre Richtungsvektoren also nicht linear abhängig sind. Dann erzeugen die Richtungsvektoren eine Ebene, und auf dieser Ebene steht ein (bis auf Streckung eindeutiger) Vektor senkrecht. Einen solchen Vektor, den Normalenvektor, kann man mit dem Kreuzprodukt berechnen. Sei

und

Das lineare Gleichungssystem

besitzt eine eindeutige Lösung . Dabei sind und die Lotfußpunkte, in denen nach Lemma 35.12 der Abstand der Geraden angenommen wird. Dieser Abstand ist .




Es seien

und

windschiefe Geraden im mit Vektoren . Es sei ein normierter Vektor, der zu und senkrecht sei.

Dann ist

Wir gehen von Beispiel 35.13 aus und betrachten

Mit der Cramerschen Regel erhalten wir unter Verwendung von Lemma 33.3  (5) und da ein lineares Vielfaches von ist



Es seien

und

windschiefe Geraden. Wir wollen das Abstandsproblem zwischen den beiden Geraden als Extremalproblem im Sinne der höherdimensionalen Analysis verstehen. Sei

und

Das Quadrat des Abstandes zwischen zwei Punkten

und

ist (mit )

Diesen Ausdruck kann man mit Mitteln der Analysis 2 interpretieren. Wir betrachten die durch die Geraden gegebenen Daten als fixierte Parameter, sodass ein reellwertiger funktionaler Ausdruck in den beiden reellen Variablen und vorliegt, für den Extrema zu bestimmen sind. Die partiellen Ableitungen sind

und

Wenn wir diese gleich setzen, so erhalten wir ein inhomogenes lineares Gleichungssystem mit zwei Gleichungen in den Variablen und . Mit der Cramerschen Regel erhält man

und

Wenn und normiert sind, so vereinfachen sich diese Ausdrücke zu

und