Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Teil I/Vorlesung 25/kontrolle
- Trigonalisierbare Abbildungen
Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Eine lineare Abbildung heißt trigonalisierbar, wenn sie bezüglich einer geeigneten Basis durch eine obere Dreiecksmatrix beschrieben wird.
Diagonalisierbare lineare Abbildungen sind insbesondere trigonalisierbar. Die Umkehrung gilt nicht, wie eine Scherungsmatrix zeigt (siehe Beispiel 22.12). Wir werden in Satz 25.10 sehen, dass eine lineare Abbildung genau dann trigonalisierbar ist, wenn das charakteristische Polynom in Linearfaktoren zerfällt. Eine quadratische Matrix heißt trigonalisierbar, wenn die dadurch definierte lineare Abbildung trigonalisierbar ist. Dies bedeutet, dass es eine Basis gibt, bezüglich der die Abbildung durch eine obere Dreiecksmatrix beschrieben wird, bzw., dass es eine invertierbare Matrix (die Basiswechselmatrix) derart gibt, dass
eine obere Dreiecksmatrix ist. Somit ist eine Matrix genau dann trigonalisierbar, wenn sie ähnlich zu einer oberen Dreiecksmatrix ist. Das Auffinden einer Basis, bezüglich der obere Dreiecksgestalt vorliegt bzw. die Durchführung des Basiswechsels nennt man Trigonalisierung.
Wir behaupten, dass die Matrix
trigonalisierbar ist. Die Matrix
ist invertierbar mit der inversen Matrix
Eine direkte Rechnung zeigt
Bei diesem Nachweis der Trigonalisierbarkeit taucht die Übergangsmatrix aus dem Nichts auf. Ein einsichtigerer Trigonalisierbarkeitsnachweis ergibt sich mit Hilfe des charakteristischen Polynoms und Satz 25.10. Das charakteristische Polynom ist
zerfällt also in Linearfaktoren.
Es seien endlichdimensionale Vektorräume über dem Körper und
lineare Abbildungen und es sei
die Produktabbildung.
Dann ist genau dann trigonalisierbar, wenn dies für alle gilt.
Beweis
Die vorstehende Aussage gilt insbesondere, wenn
eine direkte Summe von - invarianten Untervektorräumen ist.
- Invariante Untervektorräume
Ein trigonalisierbarer Endomorphismus wird bezüglich einer geeigneten Basis durch eine Matrix der Gestalt
beschrieben. Eigenschaften, die für eine solche obere Dreiecksmatrix gelten und die als eine Eigenschaft der linearen Abbildung beschreibbar, also unabhängig von einer gewählten Basis sind, müssen für eine trigonalisierbare Abbildung gelten. Solche Eigenschaften wollen wir verstehen. Durch eine obere Dreiecksmatrix wird der -te Standardvektor auf
abgebildet. Insbesondere ist ein Eigenvektor zum Eigenwert . Charakteristisch für trigonalisierbare Abbildungen ist, dass der Untervektorraum
durch in sich selbst hinein abgebildet wird, d.h. die sind - invariante Untervektorräume, die ineinander enthalten sind und deren Dimension gleich ist. Wir werden nach einigen Vorbereitungen zeigen, dass diese Eigenschaft trigonalisierbare Abbildungen charakterisiert.
Es sei ein Körper und es sei ein - dimensionaler Vektorraum. Es sei
eine lineare Abbildung und es sei ein Eigenwert von .
Dann gibt es einen - invarianten Untervektorraum der Dimension .
Nach Voraussetzung und nach Lemma 22.1 besitzt die Abbildung einen nichttrivialen Kern. Sie ist also nicht injektiv und nach Korollar 11.9 auch nicht surjektiv. Daher ist
ein echter Unterraum von . Es gibt dann auch einen Untervektorraum der Dimension , der enthält. Zu gehört wegen
das Bild zu , d.h. ist -invariant.
Wenn
ein -invarianter Untervektorraum und
ein Polynom ist, so ist auch -invariant, siehe
Aufgabe 23.31.
In dieser Situation gilt die folgende Gleichheit.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Es sei ein - invarianter Untervektorraum.
Dann gilt zu jedem Polynom die Beziehung
wobei hier die im Definitionsbereich und auch im Bildbereich eingeschränkte Abbildung bezeichnet.
Dies überprüft man direkt für die Potenzen und für Linearkombinationen davon.
Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei
eine lineare Abbildung. Es sei ein - invarianter Untervektorraum und
die Einschränkung auf (auch im Bildbereich).
Dann ist das Minimalpolynom zu ein Vielfaches des Minimalpolynoms von .
Es sei das Minimalpolynom zu . Für ist nach Lemma 25.5
Daher annulliert den eingeschränkten Endomorphismus und daher ist ein Vielfaches des Minimalpolynoms von .
Wir betrachten die Permutationsmatrix
Es ist der Eigenraum zum Eigenwert , ferner ist
ein invarianter Untervektorraum (der sich über gemäß Lemma 24.11 in weitere Eigenräume zerlegen lässt). Bezüglich der angegebenen Basis besitzt die Einschränkung der linearen Abbildung auf die beschreibende Matrix
somit ist das charakteristische Polynom davon gleich
Dies ist zugleich das Minimalpolynom der Einschränkung. Das Minimalpolynom zur Permutationsmatrix ist , und in der Tat ist
in Übereinstimmung mit Korollar 25.6.
- Charakterisierungen für trigonalisierbar
Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum der Dimension Dann heißt eine Kette von Untervektorräumen
eine Fahne in .
Eine Fahne ist also eine Kette von ineinander enthaltenen Untervektorräumen, bei der die Dimension in jedem Schritt um hochgeht.
Es sei ein Vektorraum der Dimension und
eine lineare Abbildung. Eine Fahne
heißt invariant, wenn für alle ist.
Es sei ein Körper und es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei
eine lineare Abbildung. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist trigonalisierbar.
- Es gibt eine - invariante Fahne.
- Das charakteristische Polynom zerfällt in Linearfaktoren.
- Das Minimalpolynom zerfällt in Linearfaktoren.
Wenn trigonalisierbar ist und bezüglich einer Basis durch die Matrix beschrieben wird, so gibt es eine invertierbare Matrix (es sei ) derart, dass eine obere Dreiecksmatrix ist.
Von (1) nach (2). Es sei eine Basis, bezüglich der die beschreibende Matrix zu obere Dreiecksgestalt besitzt. Dann folgt durch direkte Interpretation der Matrix, dass die Untervektorräume
- invariant sind und somit eine invariante Fahne vorliegt.
Von (2) nach (1). Es sei
eine - invariante Fahne. Aufgrund des Basisergänzungssatzes gibt es eine Basis von mit
Da die Fahne invariant ist, gilt
Bezüglich dieser Basis besitzt die beschreibende Matrix zu somit obere Dreiecksgestalt.
Von (1) nach (3). Das charakteristische Polynom von ist gleich dem charakteristischen Polynom , wobei eine beschreibende Matrix bezüglich einer beliebigen Basis ist. Wir können also annehmen, dass eine obere Dreiecksmatrix ist. Dann ist nach Lemma 16.4 das charakteristische Polynom das Produkt der Linearfaktoren zu den Diagonaleinträgen.
Aus (3) folgt (4), da das Minimalpolynom nach Korollar 24.3 ein Teiler des charakteristischen Polynoms ist.
Von (4) nach (2). Wir beweisen die Aussage durch Induktion nach , wobei die Fälle
klar sind. Nach Voraussetzung und nach Korollar 24.3 und Satz 23.2 besitzt einen Eigenwert. Nach Lemma 25.4 gibt es einen -dimensionalen Untervektorraum
der - invariant ist. Nach Korollar 25.6 ist das Minimalpolynom der Einschränkung ein Teiler des Minimalpolynoms von und zerfällt daher wie dieses in Linearfaktoren. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es eine -invariante Fahne
und somit ist dies auch eine -invariante Fahne.
Der Zusatz ergibt sich wie folgt. Die trigonalisierbare Abbildung werde bezüglich der Basis durch die Matrix beschrieben, und bezüglich der Basis durch die obere Dreiecksmatrix . Dann gilt nach
Korollar 11.12
die Beziehung
,
wobei den Basiswechsel beschreibt.
Das im Beweis zur Implikation (4) (2) von Satz 25.10 beschriebene Verfahren zum Auffinden einer invarianten Fahne, das auf Lemma 25.4 beruht, ist grundsätzlich konstruktiv durchführbar. Wenn die Einschränkung auf einen schon konstruierten invarianten Untervektorraum keinen Eigenwert besitzt, so weiß man, dass die lineare Abbildung nicht trigonalisierbar ist.
Es sei eine quadratische Matrix mit komplexen Einträgen.
Dann ist trigonalisierbar.
Dies folgt aus Satz 25.10 und dem Fundamentalsatz der Algebra.
Wir betrachten eine reelle -Matrix . Das charakteristische Polynom ist
Dieses Polynom zerfällt in (reelle) Linearfaktoren genau dann, wenn ist. Genau in diesem Fall ist die Matrix nach Satz 25.10 trigonalisierbar.