Kurs:Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)/Vorlesung 7



Das Verhalten von Maßen bei linearen Abbildungen



Es sei ein reeller endlichdimensionaler Vektorraum und

eine bijektive lineare Abbildung. Dann gelten für das Bildmaß des Borel-Lebesgue-Maßes unter folgende Eigenschaften.

  1. ist translationsinvariant.
  2. Bei ist , wobei das von den Bildvektoren erzeugte Parallelotop bezeichnet.

(1). Es sei die Translation um den Vektor . Es sei . Dabei ist

Somit ist für eine beliebige messbare Menge aufgrund der Translationsinvarianz von


(2) folgt aus (1) mit Korollar 6.13.



Es sei

eine lineare Abbildung.

Dann gilt für jede messbare Menge die Beziehung

Wenn nicht bijektiv ist, so steht links und rechts einfach , wie aus Lemma 6.11 und Satz 16.11 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) folgt. Wir können also annehmen, dass bijektiv ist. Dann kann man die Aussage mit dem Bildmaß als

formulieren.
Aufgrund von Satz 12.9 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) in Verbindung mit Lemma 12.8 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) gibt es Elementarmatrizen und eine Diagonalmatrix mit [1] Aufgrund des Determinantenmultiplikationssatzes und wegen Lemma 3.10 und Aufgabe 7.7 genügt es, die Aussage für Diagonalmatrizen und Elementarmatrizen zu beweisen.

Wegen Lemma 7.1 ist also für diese Matrizen zu zeigen, dass das Volumen des von den Bildvektoren der Standardvektoren erzeugten Parallelotops gleich dem Betrag der Determinante der Matrix ist. Für eine Diagonalmatrix ist das erzeugte Parallelotop der Quader, dessen Seitenlängen die Beträge der Diagonaleinträge sind, sodass das Volumen das Produkt davon ist. Nach Lemma 16.4 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) ist die Determinante das Produkt der Diagonaleinträge, sodass im Betrag Gleichheit gilt. Damit gilt die Aussage auch für eine elementare Skalierungsmatrix, die ja eine Diagonalmatrix ist.

Da die Determinante der übrigen Elementarmatrizen oder ist, müssen wir zeigen, dass das Volumen des von den Spaltenvektoren einer solchen Elementarmatrix erzeugten Parallelotops gleich ist. Dies ist klar für den Typ (1), also für die elementare Vertauschungsmatrix, da es sich um den Einheitswürfel handelt, wobei lediglich die Reihenfolge der erzeugenden Vektoren geändert wird. Es bleibt also eine elementare Scherungsmatrix  mit  und zu betrachten. Wegen (Wir notieren nur die zweidimensionale Situation, da sich alles in zwei Zeilen und zwei Spalten abspielt)

und dem schon bewiesenen kann man annehmen. Ferner kann man durch umnummerieren annehmen, dass und ist. Es geht dann um das Volumen des von

erzeugten Parallelotops, also um

Wir betrachten

und

Dann ist

wobei die Durchschnitte dieser drei Mengen jeweils in einer Hyperebene enthalten sind und daher nach Lemma 6.11 das Maß besitzen. Also ist einerseits

Andererseits geht durch verschieben um aus

hervor und besitzt damit wegen der Translationsinvarianz dasselbe Volumen wie . Da der Einheitswürfel ist, wobei der Durchschnitt wieder in einer Hyperebene liegt, ist

und somit ist .

Insbesondere kann man das Maßverhältnis bei einer linearen Abbildung mit einer beliebigen Teilmenge mit positivem Maß im Definitionsraum ablesen.



Bei einer Streckung

um den Streckungsfaktor gilt für jede messbare Teilmenge

die Formel

Dies folgt unmittelbar aus Satz 7.2.



Eine lineare Isometrie

ist volumentreu.



Eine Drehung

(die durch eine Drehmatrix gegeben ist)

ist flächentreu.



Ein achsenparalleles Ellipsoid wird im durch

mit beschrieben. Es ist das Bild der Einheitskugel

unter der linearen Abbildung

also mit , und . Nach Satz 7.2 ist daher das Volumen dieses Ellipsoids gleich

Das Volumen der Einheitskugel ist , siehe Beispiel 12.4.




Volumina in euklidischen Räumen

Auf jedem reellen -dimensionalen Vektorraum kann man ein sinnvolles Maß definieren, indem man eine Isomorphie

wählt und das Bildmaß zum Borel-Lebesgue-Maß nimmt. Dieses Maß ist allerdings abhängig von der gewählten Isomorphie, bei zwei verschiedenen Isomorphien unterscheiden sich die so gewonnenen Maße um einen skalaren positiven Faktor. Bei euklidischen Räumen kann man aber mit Hilfe von Orthonormalbasen ein kanonisches Borel-Lebesgue-Maß definieren.



Es sei ein euklidischer Vektorraum.

Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes translationsinvariantes Maß auf den Borelmengen von , das jedem von einer Orthonormalbasis aufgespannten Parallelotop den Wert zuweist.

Es sei eine Orthonormalbasis von und es sei

die dadurch definierte lineare Isometrie. Dann ist das Bildmaß nach Lemma 7.1 translationsinvariant und besitzt auf dem von den erzeugten Parallelotop den Wert . Es bleibt also zu zeigen, dass dieses Maß auch jedem anderen orthonormalen Parallelotop den Wert zuweist. Es sei also eine weitere Orthonormalbasis mit dem zugehörigen Parallelotop und der zugehörigen Isometrie

Dann ist

wobei den Einheitswürfel im bezeichnet. Da eine Isometrie des ist, folgt die Aussage aus Korollar 7.4.

Das in dieser Aussage für euklidische Vektorräume definierte Maß heißt ebenfalls Borel-Lebesgue-Maß.



Es sei ein euklidischer Vektorraum, sei eine Basis von und sei das davon erzeugte Parallelotop.

Dann gilt für das Borel-Lebesgue-Maß auf

Die Positivität der Determinante der Gramschen Matrix folgt aus Satz 48.12 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)). Es sei eine Orthonormalbasis von und es sei

Die Spalten der Matrix sind also die Koeffizienten von bezüglich der gegebenen Orthonormalbasis. Nach Satz 7.2 und aufgrund der Definition des Maßes in Satz 7.7 ist somit

Wegen

ist

Nach Satz 17.5 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) ist , sodass sich die Aussage aus Satz 17.4 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) ergibt.

Die vorstehende Aussage erlaubt es, auch bei das -dimensionale Maß eines -dimensionalen Parallelotops im auszurechnen (ihr -dimensionales Maß ist , da sie in einem echten Untervektorraum liegen). Die einfachste Situation liegt bei vor, dann handelt es sich um eine einfache Längenberechnung mit Hilfe des Skalarproduktes. Ein typischeres Beispiel ist die Flächenberechnung eines Parallelogramms im .


Wir betrachten das von den Vektoren und aufgespannte Parallelogramm im . Nach Satz 7.8 müssen wir die Skalarprodukte dieser Vektoren berechnen. Es ist

Dies führt zur Matrix

mit der Determinante . Der Flächeninhalt des Parallelogramms ist also .




Fußnoten
  1. Da hier alle Matrizen invertierbar sind, genügen allein die links stehenden Elementarmatrizen ohne die Skalierungsmatrizen.


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