Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil II/Vorlesung 50/kontrolle



Bilinearformen

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Eine Abbildung

heißt Bilinearform, wenn für alle die induzierten Abbildungen

und für alle die induzierten Abbildungen

- linear sind.


Es sei ein Körper, ein endlichdimensionaler - Vektorraum und eine Bilinearform auf . Es sei eine Basis von . Dann heißt die - Matrix

die Gramsche Matrix von bezüglich dieser Basis.

Die Hesse-Matrix ist beispielsweise die Gramsche Matrix der Hesse-Form bezüglich der Standardbasis im . Für Elemente und und die Gramsche Matrix ist



Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und eine Bilinearform auf . Die Bilinearform heißt symmetrisch, wenn

für alle gilt.

Die Hesse-Form ist eine symmetrische Bilinearform aufgrund des Satzes von Schwarz.

Definitheit

Es sei ein reeller Vektorraum mit einer symmetrischen Bilinearform . Diese Bilinearform heißt

  1. positiv definit, wenn für alle , ist.
  2. negativ definit, wenn für alle , ist.
  3. positiv semidefinit, wenn für alle ist.
  4. negativ semidefinit, wenn für alle ist.
  5. indefinit, wenn weder positiv semidefinit noch negativ semidefinit ist.

Positiv definite symmetrische Bilinearformen nennt man auch Skalarprodukte. Eine Bilinearform auf kann man auf einen Untervektorraum einschränken, wodurch sich eine Bilinearform auf ergibt. Wenn die ursprüngliche Form positiv definit ist, so überträgt sich dies auf die Einschränkung. Allerdings kann eine indefinite Form eingeschränkt auf gewisse Unterräume positiv definit und auf andere negativ definit werden.

Wir besprechen nun das Minorenkriterium[1] für Definitheit.


Lemma  Lemma 50.5 ändern

Es sei eine symmetrische Bilinearform auf einem endlichdimensionalen reellen Vektorraum und sei eine Basis von . Es sei die Gramsche Matrix zu bezüglich dieser Basis und es seien die Determinanten der quadratischen Untermatrizen

Dann gelten folgende Aussagen.
  1. Genau dann ist positiv definit, wenn alle positiv sind.
  2. Genau dann ist negativ definit, wenn das Vorzeichen in der Folge an jeder Stelle wechselt.


Es gilt auch, dass wenn alle Minoren und weder alle positiv noch abwechselndes Vorzeichen besitzen, dass dann die Matrix indefinit ist.



Hinreichende Kriterien für lokale Extrema

Wir kommen jetzt zu hinreichenden Kriterien für die Existenz von lokalen Extrema einer Funktion

die auf Eigenschaften der zweiten Richtungsableitungen, genauer der Hesse-Form, beruhen und die entsprechenden Kriterien in einer Variablen verallgemeinern. Zunächst brauchen wir ein Lemma, das beschreibt, wie die Definitheit (oder der „Definitheitstyp“[2]) der Hesse-Form vom Punkt abhängt.


Lemma  Lemma 50.6 ändern

Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum, eine offene Teilmenge und

eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Es sei ein Punkt, in dem die Hesse-Form positiv (negativ) definit sei.

Dann gibt es eine offene Umgebung , , derart, dass die Hesse-Form in jedem Punkt positiv (negativ) definit ist.

Es sei eine Basis von , und sei die Gramsche Matrix zur Hesse-Form im Punkt bezüglich dieser Basis. Aufgrund der Differenzierbarkeitsvoraussetzungen hängt stetig von ab. Daher hängen auch die Determinanten der quadratischen Untermatrizen von stetig von ab. Die Determinanten

sind nach Lemma 50.5 alle von verschieden. Daher gibt es eine offene Umgebung , , derart, dass für alle die Determinanten

das gleiche Vorzeichen haben wie . Da diese Vorzeichen nach Lemma 50.5 über die Definitheit entscheiden, folgt die Behauptung.



Satz  Satz 50.7 ändern

Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum, eine offene Teilmenge und

eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Es sei mit . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Wenn negativ definit ist, so besitzt ein isoliertes lokales Maximum in .
  2. Wenn positiv definit ist, so besitzt ein isoliertes lokales Minimum in .
  3. Wenn indefinit ist, so besitzt in weder ein lokales Minimum noch ein lokales Maximum.

(1). Aufgrund von Lemma 50.6 gibt es ein derart, dass die Hesse-Form für alle negativ definit ist. Für alle Vektoren , , gibt es nach Satz 48.5 ein mit

wobei die erste Formulierung sich auf eine fixierte Basis bezieht und wobei die zweite Identität auf Aufgabe 49.10 beruht. Da die Hesse-Form negativ definit ist, steht rechts für eine Zahl, die echt kleiner als ist. Daher liegt ein isoliertes lokales Maximum vor.
(2) wird wie (1) bewiesen oder durch Betrachten von darauf zurückgeführt.
(3). Es sei indefinit. Dann gibt es Vektoren und mit

Wegen der stetigen Abhängigkeit der Hesse-Form gelten diese Abschätzungen auch für für aus einer offenen Umgebung von (mit den gleichen Vektoren und ). Wir können durch Skalierung von und annehmen, dass und zu dieser Umgebung gehören. Wie im Beweis zu Teil (1) gilt daher ( und sind nicht )

und

mit . Also kann in kein lokales Extremum vorliegen.



Wir betrachten die Funktion

Die partiellen Ableitungen sind

Zur Berechnung der kritischen Punkte dieser Funktion eliminieren wir und erhalten die Bedingung

die zu

führt. Die kritischen Punkte sind also

Die Hesse-Form ist in einem Punkt gleich

Zur Bestimmung des Definitheitstyps ziehen wir Lemma 50.5 heran, wobei der erste Minor, also , natürlich positiv ist. Die Determinante der Hesse-Matrix ist

was genau bei positiv ist. Dies ist im Punkt der Fall, aber nicht im Punkt . Daher ist die Hesse-Matrix im Punkt nach Lemma 50.5 positiv definit und somit besitzt die Funktion im Punkt nach Satz 50.7 ein isoliertes lokales Minimum, das zugleich ein globales Minimum ist. In ist die Determinante negativ, sodass dort die Hesse-Form indefinit ist und somit, wiederum nach Satz 50.7, kein Extremum vorliegen kann.



Beispiel  Beispiel 50.9 ändern

Wir betrachten die Abbildung

Es ist

Die partiellen Ableitungen sind

Da die Exponentialfunktion stets positiv ist, ist der einzige kritische Punkt. Die Hesse-Matrix in einem Punkt ist

In ist dies

Nach Lemma 50.5 ist daher die Hesse-Form im kritischen Punkt weder positiv definit noch negativ definit. Man kann direkt zeigen, dass diese Matrix indefinit ist (vom Typ ), da diese Bilinearform auf positiv und auf negativ definit ist. Nach Satz 50.7 liegt in diesem Punkt also kein Extremum vor.

Dies kann man auch ohne Differentialrechnung erkennen. Für oder ist . Ansonsten gelten die folgenden Beziehungen.

  1. Für und ist .
  2. Für und ist .
  3. Für und ist .
  4. Für und ist .

Daher gibt es in jeder Umgebung von Punkte, an denen die Funktionswerte größer bzw. kleiner als sind.


Es sei

eine stetige Funktion und

eine Unterteilung des Intervalls durch Zwischenpunkte (in Teilintervalle). Dazu gehört die Treppenfunktion, die auf den konstanten Wert annimmt. Wenn monoton wachsend ist, so ist dies eine untere Treppenfunktion, und das zugehörige Treppenintegral ist eine untere Schranke für das bestimmte Integral . Das Treppenintegral ist durch

gegeben. Wir fragen uns, für welche Intervallunterteilung mit Teilpunkten das Treppenintegral maximal oder minimal wird. Dazu kann man die differentiellen Methoden zur Bestimmung von Extrema für Funktionen in mehreren Variablen verwenden (nämlich den variablen Unterteilungspunkten ), vorausgesetzt, dass (hinreichend oft) differenzierbar (in einer Variablen) ist. In diesem Fall sind die partiellen Ableitungen von gleich

für (wobei und zu lesen ist). Als Definitionsbereich von kann man die offene Menge

oder aber wählen. Es ist im Allgemeinen schwierig, die kritischen Punkte dieser Abbildung zu bestimmen.



Wir wollen für die Funktion

und das Einheitsintervall bestimmen, für welche zwei Unterteilungspunkte das Treppenintegral der zugehörigen (dreistufigen) unteren Treppenfunktion maximal wird. Das Treppenintegral wird durch die Funktion

beschrieben. Die partiellen Ableitungen dieser Funktion sind

und

Wir bestimmen die kritischen Punkte. Aus der ersten partiellen Ableitung ergibt sich die Bedingung

und daraus ergibt sich mit der zweiten partiellen Ableitung die Bedingung

also

bzw.

Somit ist

der einzige kritische Punkt. Wir bestimmen die Hesse-Matrix in diesem Punkt, sie ist

und in gleich

also negativ definit nach Lemma 50.5. Daher liegt in ein Maximum nach Satz 50.7 vor.



Wir wollen für die Funktion

und das Einheitsintervall bestimmen, für welche Unterteilungspunkte das Treppenintegral der zugehörigen (-stufigen) unteren Treppenfunktion maximal wird. Das Treppenintegral wird durch die Funktion

beschrieben. Die partiellen Ableitungen dieser Funktion sind

für und

Wir bestimmen die kritischen Punkte, indem wir die partiellen Ableitungen gleich setzen. Die ersten Gleichungen ergeben sukzessive die Bedingungen

für alle . Dies zeigt man durch Induktion, der Induktionsanfang () ist trivial, folgt direkt aus der ersten Gleichung und der Induktionsschritt ergibt sich aus

Aus der letzen Gleichung folgt schließlich

und somit . Der einzige kritische Punkt liegt also in der äquidistanten Unterteilung vor. Die Hesse-Matrix ist (unabhängig vom Punkt) gleich

Diese Matrix ist negativ definit nach Lemma 50.5. Daher liegt in der äquidistanten Unterteilung nach Satz 50.7 das Maximum vor.




Fußnoten
  1. Unter einem Minor versteht man die Determinante einer quadratischen Untermatrix einer Matrix. Man könnte also genauso gut von einem Determinantenkriterium sprechen.
  2. Der Typ einer symmetrischen Bilinearform hat eine wohldefinierte Bedeutung:

    Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum mit einer symmetrischen Bilinearform . Man sagt, dass eine solche Bilinearform den Typ

    besitzt, wobei

    und

    ist.

    Es ist stets und es ist genau dann, wenn die Form positiv definit ist.


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