Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil I/Vorlesung 30

„Wer Schmetterlinge träumen hört, der weiß, wie Wolken riechen“
Novalis



Affine Erzeugendensysteme



Es sei ein affiner Raum über dem - Vektorraum .

Dann ist der Durchschnitt von einer Familie , , von affinen Unterräumen wieder affin.

Wenn der Durchschnitt leer ist, so gilt die Aussage nach Definition. Es sei . Wir können die affinen Unterräume als

mit Untervektorräumen schreiben. Sei

was nach Fakt *****  (1) ein Untervektorraum ist. Wir behaupten

Aus folgt

mit , sodass liegt. Umgekehrt folgt aus direkt .

Insbesondere gibt es zu jeder Teilmenge in einem affinen Raum einen kleinsten affinen Unterraum, der umfasst.


Es sei ein affiner Raum über dem - Vektorraum und eine Teilmenge.

Dann besteht der kleinste affine Unterraum von , der umfasst, aus allen baryzentrischen Kombinationen

Die angegebene Menge enthält die einzelnen Punkte aus , da man als baryzentrisches Koordinatentupel insbesondere ein Standardtupel nehmen kann. Daher ergibt sich die Behauptung aus Lemma 29.14 und Aufgabe 29.15.



Es sei ein affiner Raum über dem - Vektorraum und sei ein affiner Unterraum. Eine Familie von Punkten , , heißt affines Erzeugendensystem von , wenn der kleinste affine Unterraum von ist, der alle Punkte umfasst.

Ein Punkt erzeugt als affinen Punkt den Punkt selbst, zwei Punkte erzeugen die Verbindungsgerade.



Affine Unabhängigkeit

Es sei ein affiner Raum über einem - Vektorraum und es sei

eine endliche Familie von Punkten aus . Man nennt die Punktfamilie affin-unabhängig, wenn eine Gleichheit

mit

nur bei

für alle möglich ist.



Es sei ein affiner Raum über einem - Vektorraum und es sei

eine endliche Familie von Punkten aus . Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.

  1. Die Punkte sind affin unabhängig.
  2. Für jedes ist die Vektorfamilie

    linear unabhängig.

  3. Es gibt ein derart, dass die Vektorfamilie

    linear unabhängig ist.

  4. Die Punkte bilden in dem von ihnen erzeugten affinen Unterraum eine affine Basis.

Beweis

Siehe Aufgabe 30.2.




Affine Abbildungen

Es sei ein Körper und seien und affine Räume über den Vektorräumen  bzw. . Eine Abbildung

heißt affin (oder affin-lineare Abbildung), wenn es eine lineare Abbildung

mit

für alle und gibt.

Es genügt, diese Bedingung für einen einzigen Punkt und alle Vektoren zu überprüfen, siehe Aufgabe *****.

Eine Abbildung

ist genau dann affin-linear mit linearem Anteil , wenn das Diagramm

kommutiert. Zu einer affin-linearen Abbildung

ist der lineare Anteil (bei )

eindeutig bestimmt. Es ist nämlich notwendigerweise

für einen beliebigen Punkt . Daher bezeichnen wir den linearen Anteil mit . Für zwei Punkte gilt insbesondere




Es sei ein Körper und seien und affine Räume über den Vektorräumen  bzw. . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Identität

    ist affin-linear.

  2. Die Verknüpfung von affin-linearen Abbildungen

    und

    ist wieder affin-linear.

  3. Zu einer bijektiven affin-linearen Abbildung

    ist auch die Umkehrabbildung affin-linear.

  4. Zu ist die Verschiebung

    affin-linear.

  5. Eine lineare Abbildung ist affin-linear.

Diese Eigenschaften folgen unmittelbar aus der Definition.



Es seien und affine Räume über einem Körper und sei

eine Abbildung.

Dann ist genau dann affin-linear, wenn für jede baryzentrische Kombination mit die Gleichheit

gilt.

Es seien und die Vektorräume zu bzw. zu . Es sei zunächst affin-linear mit linearem Anteil

und eine baryzentrische Kombination mit und gegeben. Dann ist (mit einem beliebigen Punkt )

Es sei nun umgekehrt die Abbildung mit den baryzentrischen Kombinationen verträglich. Wir setzen

für , mit einem . Wir zeigen zunächst, dass dies unabhängig von dem gewählten Punkt ist. Es ist

eine baryzentrische Kombination für den Punkt , siehe Aufgabe *****. Daher ist in

Somit ist in

und daher

Es bleibt zu zeigen, dass linear ist. Für und ist

Also ist



Es sei ein Körper und seien und affine Räume über den - Vektorräumen  bzw. . Eine bijektive affine Abbildung

heißt affiner Isomorphismus.

In einem gewissen Sinne setzen sich affin-lineare Abbildungen aus Verschiebungen und aus linearen Abbildungen zusammen.



Es sei ein Körper und sei ein affiner Raum über dem Vektorraum . Es sei .

Dann entsprechen sich die affin-linearen Abbildungen

mit als Fixpunkt und die linearen Abbildungen

Die Zuordnung ist durch gegeben. Wir müssen zeigen, dass es zu jeder linearen Abbildung eine eindeutige affin-lineare Abbildung

mit diesem linearen Anteil gibt. Wegen

kann es nur eine affin-lineare Abbildung geben, und durch diese Vorschrift kann man die Abbildung auch definieren.


Der folgende Satz heißt Festlegungssatz für affine Abbildungen und ist analog zu Satz 10.9.


Es sei ein Körper und seien und affine Räume über den Vektorräumen  bzw. . Es sei , , eine affine Basis von und , , eine Familie von Punkten in .

Dann gibt es eine eindeutig bestimmte affin-lineare Abbildung

mit

für alle .

Es sei . Es gibt nach Satz 10.9 eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung

mit

für alle . Dann ist

eine affin-lineare Abbildung mit der gewünschten Eigenschaft. Umgekehrt ist eine solche affine Abbildung durch den linearen Anteil und durch den Wert an einem einzigen Punkt eindeutig festgelegt, sodass

sein muss.



Es sei ein Körper und sei ein affiner Raum mit einer affinen Basis .

Dann ist die Abbildung

wobei die baryzentrischen Koordinaten von sind, eine affin-lineare Abbildung, die eine affine Isomorphie zwischen und dem affinen Unterraum stiftet, der durch

gegeben ist. Der Vektorraum zu ist

Nach Satz 30.12 gibt es eine eindeutig bestimmte affin-lineare Abbildung

die auf den -ten Standardvektor abbildet. Dabei wird nach Lemma 30.9

auf

abgebildet. Wegen

gehört dieser Punkt zu . Die Bijektivität ist klar.


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