Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 20
- Produktvarietäten
Zu Mengen und kann man bekanntlich das Produkt definieren, das aus allen Paaren mit und besteht. Wenn die beteiligten Mengen weitere Strukturen besitzen, so übertragen sich diese häufig direkt auf die Produktmenge. Beispielsweise ist das Produkt von Gruppen wieder eine Gruppe, das Produkt von Vektorräumen ist wieder ein Vektorraum, das Produkt von topologischen Räumen ist mit der Produkttopologie wieder ein topologischer Raum, das Produkt von Mannigfaltigkeiten ist wieder eine Mannigfaltigkeit. Hier interessieren wir uns für das Produkt von affin-algebraischen Mengen, wie dieses zu definieren ist, wie der Koordinatenring dazu aussieht und wie sich die Krulldimension dabei verhält. Für Vektorräume gilt , das bedeutet, dass die Dimension des Produktraumes die Summe der beiden einzelnen Dimensionen ist. Dies wird sich auch für die Dimension von Produktvarietäten ergeben. Wir stellen eine allgemeine Vorüberlegung an, inwiefern auf den beteiligten Mengen (Räumen, Mannigfaltigkeiten, Varietäten) definierte Funktionen auch Funktionen auf der Produktmenge ergeben.
Es seien und geometrische Objekte (topologische Räume, Mannigfaltigkeiten, Varietäten, beringte Räume), wobei klar sein soll, was die darauf adäquaten definierten Funktionen sein sollen. Jedenfalls soll eine Funktion von der Form in einen festgelegten Körper sein, wodurch eine Ringstruktur auf der Menge der Funktionen gestiftet wird. Über die Projektionen
und
definiert eine Funktion auf (bzw. auf ) direkt eine Funktion auf , indem man einfach die Hintereinanderschaltung
betrachtet. Zu einer Funktion auf und einer Funktion auf kann man auf die Funktion
betrachten, wobei die Multiplikation auf dem Körper bezeichnet. Diese Abbildung bezeichnen wir (aus gutem Grund) mit . Es ist also
Dabei stimmt mit der über die Projektion nach gewonnene Funktion überein. Ferner gilt im Ring der Funktionen auf der Produktmenge die Beziehung
Keineswegs sind alle Funktionen auf von diesem Produkttyp, beispielsweise kann man im Allgemeinen nicht auf diese Gestalt bringen.
Im algebraischen Kontext sind die relevanten Funktionen die Polynomfunktionen auf dem affinen Raum und ihre Einschränkungen auf abgeschlossene Teilmengen und daraus konstruierte rationale Funktionen. Die natürliche Identität
kann man auf der Ebene der Polynomringe folgendermaßen interpretieren: Einerseits hat man für die beiden affinen Räume die Polynomringe und , andererseits einen Polynomring in Variablen. Diesen kann man aber direkt als ansetzen, da ein Polynom aus über die Projektion
zu einer polynomialen Funktion auf der Produktmenge wird. Über diesen Weg wird ein Polynom in den ersten Variablen einfach als ein Polynom in Variablen aufgefasst, in dem die hinteren Variablen nicht explizit vorkommen. Eine direkte Überlegung zeigt
(siehe auch Beispiel Anhang 11.2). Die oben formulierte naive funktionentheoretische Interpretation des Tensorzeichens stimmt mit der algebraischen Definition des Tensorproduktes überein.
Es seien und affin-algebraische Mengen.
Dann ist
eine affin-algebraische Menge, die durch das Ideal
beschrieben wird.
Ein Punkt ist ein Tupel , in dem alle Polynome aus verschwinden. Ein Punkt
ist entsprechend ein Tupel , in dem sowohl alle Polynome aus als auch alle Polynome aus verschwinden, wobei diese Bedingungen jeweils nur vom vorderen bzw. vom hinteren Teiltupel abhängen. Dies ist äquivalent dazu, dass alle Polynome aus
verschwinden, da diese Eigenschaft durch ein Erzeugendensystem des Ideals festgelegt ist.
Wenn die beiden Ideale durch Erzeuger gegeben sind, sagen wir
und
,
so ist das Ideal, das die Produktmenge beschreibt, einfach gleich
.
Zu affin-algebraischen Mengen und nennt man
mit der induzierten Zariski-Topologie des das Produkt der beiden affin-algebraischen Mengen.
Nach Konstruktion ist das Produkt als Punktmenge einfach die rein mengentheoretische Produktmenge. Allerdings kommt noch die Zariski-Topologie hinzu, die unter Bezug auf die umgebenden Räume definiert wird. Diese Topologie ist nicht die Produkttopologie der beiden einzelnen Topologien auf den Varietäten (dies stimmt schon nicht für ). Von daher ist es nicht selbstverständlich, dass diese Topologie auf der Produktmenge unabhängig von der Restklassenrepräsentierung der beiden Koordinatenringe ist, und wie man den Koordinatenring der Produktvarietät aus den beiden Koordinatenringen berechnet. Beide Probleme werden durch das folgende Lemma erledigt.
Dabei ist das Erweiterungsideal unter dem kanonischen Ringhomomorphismus
Dies ist auch das Bild von in , und dieses gehört zum Kern von . Zum Nachweis, dass die angegebene Idealsumme der ganze Kern ist, machen wir eine Diagrammjagd. Wir gehen aus von den surjektiven - Algebrahomomorphismen und . Die kurzen exakten Sequenzen
und
ergeben nach Proposition Anhang 5.4 durch verschiedene Tensorierungen das kommutative Diagramm
Es sei ein Element, das rechts unten (in ) auf geht. Dann rührt das Bild von in von einem Element und dieses von einem Element her. Es sei das Bild davon in . Dann wird nach rechts auf abgebildet. Daher existiert ein mit . Also ist wie behauptet.
Da man mitsamt der Topologie als das -Spektrum aus dem Koordinatenring rekonstruieren kann, kann man auch die Topologie der Produktvarietät aus dem Tensorprodukt der beiden Koordinanteringe rekonstruieren. Dass das Tensorprodukt auf der algebraischen Ebene die richtige Beschreibung des Produktes der geometrischen Mengen liefert, wird auch durch den folgenden Satz bestätigt.
Zu kommutativen - Algebren und gilt
Für jeden Punkt ist mit der induzierten Topologie homöomorph zu .
Sei und . Die Abbildung (zu einem fixierten )
ist eine Einschränkung der Abbildung
Diese induziert eine Bijektion auf die abgeschlossene Teilmenge . Sie ist stetig, da Urbilder von Nullstellenmengen wieder Nullstellenmengen sind, und sie bildet Nullstellenmengen auf Nullstelenmengen ab, da man beschreibende Polynome in den Variablen direkt in den Variablen auffassen kann. Es werden also abgeschlossene Teilmengen auf abgeschlossene Teilmengen abgebildet und somit liegt eine Homöomorphie vor. Diese Eigenschaften übertragen sich auf die Einschränkung.
Es seien und affine Varietäten über einem Körper .
Dann ist auch das Produkt irreduzibel.
Es sei
eine Zerlegung in abgeschlossene Teilmengen. Wir betrachten
für . Die Mengen sind irreduzibel nach Lemma 20.6. Wegen
gilt oder . Also ist . Die Mengen sind abgeschlossen. Wir zeigen dazu, dass das Komplement offen ist. Es sei dazu und somit . Somit gibt es mit
Da nach Lemma 20.6 offen ist und enthält, gilt auch für mit aus einer offenen Umgebung von , dass und damit
also . Wegen der Irreduzibilität von folgt oder , also oder .
Den folgenden Satz formulieren wir nur für einen algebraisch abgeschlossenen Körper, da nur in diesem Fall die Übersetzung von Primidealen in irreduzible Teilmengen unproblematisch ist.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien und affine Varietäten über der Dimension bzw. .
Dann besitzt die Produktvarietät die Dimension .
Wir betrachten Realisierungen und . Es seien Ketten von irreduziblen Mengen
und
gegeben. Solche Ketten gibt es nach Satz 19.4. Somit liegt eine Kette
von nach Lemma 20.7 irreduziblen Teilmengen vor. Die Kette von bis zeigt, dass die Dimension von zumindest ist. Würde es in eine längere Kette geben, sagen wir der Länge , so könnte man diese durch die obige Teilkette von bis zu einer Kette der Länge
des führen, was nach Satz Anhang 2.15 und Satz 19.1 nicht sein kann.
Diese Aussage gilt auch für beliebige affin-agebraische Mengen, siehe
Aufgabe 20.17.
- Die Einbettungsdimension
Es sei ein lokaler kommutativer noetherscher Ring mit maximalem Ideal . Dann heißt die minimale Idealerzeugendenzahl für die Einbettungsdimension von , geschrieben
Dies folgt sofort aus dem Lemma von Nakayama angewandt auf das Ideal und den endlich erzeugten -Modul .
Es sei ein noetherscher kommutativer Ring und ein maximales Ideal. Es sei die Lokalisierung an mit dem maximalen Ideal .
Dann ist
Insbesondere ist die Einbettungsdimension der Lokalisierung gleich .
Dies ist ein Spezialfall von Lemma 17.5.
In einem noetherschen lokalen Ring gilt
Die Einbettungsdimension von ist die minimale Erzeugendenzahl des maximalen Ideals . Es sei also
Dann ist nach Satz 18.7 die Höhe von höchstens gleich , und diese ist die Dimension von .
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