Riemannsche Fläche/Polynom/Nullstellengebilde/Textabschnitt
Es sei eine riemannsche Fläche, seien holomorphe Funktionen auf und sei das durch diese Koeffizientenfunktionen definierte Polynom aus . Dann nennt man
das Nullstellengebilde zu .
Diese Definition ist so zu verstehen: Zu ist
es wird also in die holomorphen Koeffizientenfunktionen eingesetzt und wird in die Variable des Polynoms eingesetzt. Das Nullstellengebilde besteht aus allen Punkten , für die diese Einsetzung ergibt. Das Nullstellengebilde wird mit der induzierten Topologie von versehen. Häufig wird das Polynom als irreduzibel vorausgesetzt. Im Fall, dass oder eine offene Menge davon ist und dass die selbst Polynome in sind, ist ein Polynom in zwei Variablen über und es wird das Paar in die beiden Variablen eingesetzt. Das einfachste nichttriviale Beispiel ist durch das quadratische Polynom gegeben, wobei die Variable auf bezeichnet. Für die Situation, wo statt ein Polynom in als konstanter Koeffizient des quadratischen Polynoms auftritt, siehe Fakt.
Es sei eine riemannsche Fläche, seien holomorphe Funktionen auf und sei das Nullstellengebilde zu . Es sei die Projektion auf . Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Die Faser zu ist die Menge der Nullstellen des komplexen Polynoms .
- Zu jedem besteht aus höchstens Punkten.
- Die Projektion
- Es sei zusammenhängend und irreduzibel. Dann ist die Menge der Punkte , für die aus weniger als Punkten besteht, eine diskrete Teilmenge von .
- Dies ist klar, da man den Einsetzungsprozess in zwei Schritte aufteilen kann.
- Dies folgt aus (1) und Fakt.
- Der erste Teil folgt aus (1) und dem Fundamentalsatz der Algebra. Der zweite Teil ergibt sich mit einem ähnlichen Argument wie im Beweis zu Fakt.
- Dies folgt aus der Resultantentheorie, insbesondere Fakt angewendet auf und . Da die Koeffizientenfunktionen holomorph sind, ist die Resultante eine holomorphe Funktion auf , die wegen der Irreduzibilität . Außerhalb deren Nullstellenmenge hat keine mehrfache Nullstelle. Die Nullstellenmenge einer holomorphen Funktion ist diskret nach Fakt.
Ohne die in
Fakt (4)
formulierte Bedingung der Irreduzibilität an das Polynom kann das glatte Nullstellengebilde leer sein. Die Irreduzibilität bzw. die schwächere Bedingung, dass und keinen gemeinsamen nichtkonstanten Faktor besitzen, ist also häufig nötig, damit die Aussagen sich nicht auf die leere Menge beziehen
(die wir als riemannsche Fläche gelten lassen).
In
Fakt
wird gezeigt, dass für ein irreduzibles Polynom über einer zusammenhängenden riemannschen Fläche das Nullstellengebilde ebenfalls zusammenhängend ist.
Es sei eine riemannsche Fläche, seien holomorphe Funktionen auf und sei das Nullstellengebilde zu . Es sei die Projektion auf . Dann nennt man
das unverzweigte Nullstellengebilde zu .
Es sei eine riemannsche Fläche, seien holomorphe Funktionen auf und sei das Nullstellengebilde zu . Es sei die Projektion auf . Dann nennt man
das glatte Nullstellengebilde zu . Hierbei bezeichnet einen lokalen Parameter in einer offenen Umgebung von .
Dabei ist die formale Ableitung nach . Ein Punkt des Nullstellengebildes, der nicht die Glattheitsbedingung aus der Definition erfüllt, heißt singulärer Punkt oder Singularität.
Es sei eine riemannsche Fläche, seien holomorphe Funktionen auf und es sei das glatte Nullstellengebilde zum irreduziblen Polynom .
Dann ist eine riemannsche Fläche, die erste Projektion ist eine holomorphe Abbildung und die zweite Projektion ist eine holomorphe Funktion.
Wir betrachten die Abbildung
Wenn man lokal durch eine Karte mit dem offenen Kartenbild beschreibt, so liegt eine komplex-differenzierbare Abbildung
in den komplexen Variablen und vor, wobei einen lokalen Parameter von bezeichne. Das Nullstellengebilde ist die Faser von über dem Nullpunkt . Die beiden partiellen Ableitungen von sind
und
Ein Punkt ist genau dann ein regulärer Punkt für , wenn zumindest eine der beiden partiellen Ableitungen in diesem Punkt nicht verschwindet. Deshalb ist das glatte Nullstellengebilde nach Definition die Menge der regulären Punkte zu . Der Satz über implizite Abbildungen zeigt, dass die Faser lokal in jedem regulären Punkt homöomorph zu einer offenen Teilmenge von ist, und dass diese Homöomorphismen durch komplex-differenzierbare Abbildungen nach gegeben sind. Somit liegt auf die Struktur einer eindimensionalen komplexen Mannigfaltigkeit vor, also eine riemannsche Fläche. Die Holomorphie der beiden Abbildungen ergibt sich ebenfalls aus dem Satz über implizite Abbildungen.
Es sei eine riemannsche Fläche, seien holomorphe Funktionen auf .
Dann ist das unverzweigte Nullstellengebilde eine offene Teilmenge des glatten Nullstellengebildes zum Polynom .
Ein Punkt des Nullstellengebildes gehört genau dann zum unverzweigten Nullstellengebilde, wenn oberhalb von alle Punkte glatt und unverzweigt sind.
In den Punktes des unverzweigten Nullstellengebildes haben und (Ableitung nach ) keine gemeinsame Nullstelle. D.h. hat in diesen Punkten keine Nullstelle und daher handelt es sich insbesondere um einen glatten Punkt. Es bezeichne die offene Teilmenge von bestehend aus allen Punkten mit der Eigenschaft, dass alle Punkte darüber glatt sind. Dabei gilt , wobei die Menge aus Fakt (4) bezeichnet. Wir betrachten die eingeschränkte Projektion . Hierbei ist als Teilmenge des glatten Nullstellengebildes eine riemannsche Fläche und die Abbildung ist endlich mit Blätterzahl . Nach Fakt ist genau dann überall unverzweigt, wenn die Faseranzahl gleich ist.
Es sei eine zusammenhängende riemannsche Fläche, seien holomorphe Funktionen auf und sei das unverzweigte Nullstellengebilde zum irreduziblen Polynom .
Dann ist die Abbildung
mit eine endliche Überlagerung mit Blätterzahl vor und ist eine riemannsche Fläche.
Wir betrachten die holomorphe Funktion auf und dazu das Polynom . Das Nullstellengebilde
ist überall glatt und steht direkt in einer Bijektion
die biholomorph wird, wenn im Sinne von Fakt als eine riemannsche Fläche aufgefasst wird. Die Umkehrabbildung ist die zweite Projektion auf . Das unverzweigte Nullstellengebilde ist .
Wir betrachten die holomorphe Funktion auf und dazu das Polynom
Das Nullstellengebilde
ist die Vereinigung von zwei komplexen Ebenen, die sich im singulären Punkt kreuzen, es liegt das komplexe Achsenkreuz vor. Das glatte Nullstellengebilde ist
die disjunkte Vereinigung von zwei punktierten komplexen Zahlengeraden (also Gaußsche Zahlenebenen) und ist insbesondere nicht zusammenhängend. Dies ist auch das unverzweigte Nullstellengebilde.
Wir betrachten die holomorphe Funktion auf und dazu das Polynom
Das Nullstellengebilde
nennt man die Neilsche Parabel. Die partiellen Ableitungen sind bzw. , somit ist der einzige singuläre Punkt und das glatte Nullstellengebilde ist . Zu gibt es oberhalb von die beiden Punkte und daher stimmt das glatte Nullstellengebilde mit dem unverzweigten Nullstellengebilde überein.
Wir werden in Fakt sehen, dass man das glatte Nullstellengebilde über die singulären Punkte des Nullstellengebildes hinaus zu einer größeren riemannschen Fläche mit einer surjektiven endlichen holomorphen Abbildung nach erweitern kann. Im Beispiel der Neilschen Parabel wird dies durch die Abbildung
geleistet, die bijektiv ist und auf dem glatten Ort biholomorph. Im Beispiel des Achsenkreuzes wird es durch die disjunkte Vereinigung von zwei komplexen Geraden geleistet, die auf die beiden Achsen abbilden und sich im Ursprung vereinigen.