Kurs:Bündel, Garben und Kohomologie (Osnabrück 2019-2020)/Vorlesung 30



Der Grad von getwisteten Strukturgarben auf ebenen Kurven



Es sei

eine glatte projektive ebene Kurve vom Grad über einem algebraisch abgeschlossenen Körper.

Dann besitzt die Einschränkung von auf den Grad .

Wir können annehmen, da das Zurückziehen von Garben mit der Tensorierung verträglich ist und da der Grad nach Aufgabe 29.15 additiv bezüglich der Tensorierung von invertierbaren Garben ist. Es sei

ein Schnitt, der als Polynom in kein Vielfaches von sei. Dann kann man auch als einen von verschiedenen Schnitt in

betrachten. Es geht um den Grad des Nullstellendivisors zu auf . Sei ein Punkt der Kurve. Die Nullstellenordnung eines Schnittes einer invertierbaren Garbe kann man in einer affinen Umgebung des Punktes ausrechnen. Ohne Einschränkung sei und . Die affine Gleichung der Kurve ist dann die Dehomogenisierung von bezüglich der Variablen und der Schnitt wird unter der Identifizierung

gleich der Dehomogenisierung von . Der lokale Ring der Kurve ist

und die Ordnung von in diesem Ring ist nach Lemma 21.9 gleich der - Dimension von

Diese Beschreibung ist symmetrisch in und . Deshalb ist der Grad des Nullstellendivisors zu auf gleich dem Grad des Nullstellendivisors zu auf . Für ein homogenes Polynom vom Grad auf einer projektiven Geraden ist aber die Summe über alle Nullstellenordnungen gleich .




Der Satz von Riemann-Roch für invertierbare Garben

Es sei eine ebene projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper vom Grad . Es sei

Wir wollen die Anzahl der globalen Schnitte von berechnen. Dazu betrachten wir die kurze exakte Sequenz

auf der projektiven Ebene und den Anfang der zugehörigen langen exakten Kohomologiesequenz

wobei die Gleichheit rechts auf Satz 27.4 beruht. Für kann man mit Aufgabe 12.4 die Dimensionen der beteiligten Vektorräume einfach ausrechnen, es ist

Wegen

(nach Satz 27.6) ist dies die Vektorraumdimension der globalen Schnitte von über . Dabei ist nach Lemma 30.1 der Grad von und nach Satz 29.5 ist das (kohomologische) Geschlecht der Kurve. Für gilt also

Für kann diese Formel nicht richtig sein, da dann die linke Seite ist und die rechte Seite beliebig negativ wird. Der Satz von Riemann-Roch zeigt, dass für eine invertierbare Garbe auf einer glatten projektiven Kurve eine entsprechende Formel gilt, bei der aber die linke Seite zu abgewandelt werden muss. Die erste Kohomologie tritt hier also als Korrekturterm auf.



Es sei eine irreduzible glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper vom Geschlecht und sei eine invertierbare Garbe auf .

Dann ist

Die Aussage ist für die Strukturgarbe richtig.

Zu einem abgeschlossenen Punkt betrachtet man die kurze exakte Garbensequenz

wobei die (reduzierte) invertierbare Idealgarbe zu dem Punkt ist und die Strukturgarbe auf dem Punkt, die man als Wolkenkratzergarbe auf auffasst. Die Tensorierung dieser Sequenz mit einer invertierbaren Garbe ergibt

Diese exakten Sequenzen stiften eine Beziehung zwischen zwei invertierbaren Garben, die sich um den Punkt unterscheiden. In einer solchen kurzen exakten Sequenz gilt wegen der zugehörigen langen exakten Kohomologiesequenz die Beziehung

da und gilt, da der Träger nulldimensional ist. Wegen

ist

und der Grad verhält sich wie die Differenz der Dimensionen der nullten und der ersten Kohomologie. Die Formel von Riemann-Roch gilt also genau dann für , wenn sie für gilt. Da jede invertierbare Garbe auf der Kurve nach Korollar 22.11 die Form zu einem Weildivisor besitzt, kann man jede invertierbare Garbe ausgehend von der Strukturgarbe durch eine endliche Hinzu- oder Wegnahme von Punkten erhalten. Daher gilt die Formel für alle invertierbaren Garben.



Es sei eine irreduzible glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper vom Geschlecht und sei eine invertierbare Garbe auf .

Dann ist

Wenn der Grad von zumindest so groß wie das Geschlecht der Kurve ist, so besitzt nichttriviale globale Schnitte.

Dies folgt unmittelbar aus Satz 30.2.



Es sei eine irreduzible glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper .

Dann gibt es zu jedem abgeschlossenen Punkt nichtkonstante rationale Funktionen , die außerhalb von definiert sind.

Nach Korollar 30.3 besitzt die invertierbare Garbe für hinreichend groß nichttriviale globale Schnitte, und zwar unendlich viele mit wachsendem . Diese entsprechen den rationalen Funktionen auf , deren Hauptdivisor oberhalb von liegt. Eine solche Funktion hat also allenfalls in einen Pol und ist somit auf definiert. Darunter gibt es auch nicht konstante Funktionen.



Der Satz von Riemann-Roch für lokal freie Garben

Wir wollen den Satz von Riemann-Roch auf lokal freie Garben verallgemeinern. Dazu müssen wir zunächst den Grad einer lokal freien Garbe definieren.


Es sei eine glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper . Zu einer lokal freien Garbe auf vom Rang definiert man den Grad durch den Grad der Determinantengarbe .



Es sei eine glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper .

Dann ist der Grad von lokal freien Garben auf additiv für kurze exakte Sequenzen.

Dies folgt aus Satz 16.11.

Somit haben wir drei additive Invarianten für lokal freie Garben auf einer glatten projektiven Kurve: den Rang, den Grad und die Euler-Charakteristik.



Es sei eine irreduzible glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper .

Dann ist jede von verschiedene kohärente Idealgarbe invertierbar.

Da man die Invertierbarkeit lokal in den Halmen testen kann, folgt die Aussage daraus, dass die lokalen Ringe diskrete Bewertungsringe und diese Hauptidealbereiche sind.



Es sei eine irreduzible glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper und sei eine lokal freie Garbe auf vom Rang auf .

Dann gibt es eine Filtration

mit lokal freien Garben derart, dass die Quotientengarben invertierbar sind.

Zur dualen Garbe gibt es für hinreichend groß nach Satz 15.12 einen nichttrivialen globalen Schnitt , der einem nichttrivialen Modulhomomorphismus

entspricht. Dualisiert ergibt sich ein nichttrivialer Modulhomomorphismus

Das Bild davon ist eine Idealgarbe , die nach Lemma 30.6 invertierbar ist. Es gibt also einen surjektiven Garbenhomomorphismus

und damit auch einen surjektiven Garbenhomomorphismus


Da invertierbar ist, ist der Kern nach Satz 16.7 lokal frei, und zwar von einem kleineren Rang. Induktive Anwendung dieses Verfahrens auf liefert die Filtration.



Es sei eine irreduzible glatte projektive Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper vom Geschlecht und sei eine lokal freie Garbe auf vom Rang .

Dann ist

Wir führen Induktion über den Rang , wobei der Induktionsanfang durch Satz 30.2 gesichert ist. Es sei eine lokal freie Garbe vom Rang gegeben. Wir ziehen eine Filtation

mit invertierbaren Quotienten heran, die es nach Satz 30.8 gibt. Insbesondere gibt es eine kurze exakte Sequenz

Aufgrund der Induktionsvoraussetzung gilt die Formel von Riemann-Roch für und wegen Satz 30.2 gilt sie für die invertierbare Garbe . Da die Euler-Charakteristik, also

nach Lemma 27.9 additiv für kurze exakte Sequenzen und da der Grad von lokal freien Garben nach Satz 30.7 ebenfalls additiv für kurze exakte Sequenzen ist, gilt die Formel auch für .


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