Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III/Vorlesung 83/kontrolle



Differentialformen auf Mannigfaltigkeiten

Zu einer Mannigfaltigkeit kann man zum Tangentialbündel (bzw. zum Kotangentialbündel ) das -te Dachprodukt (bzw. ) bilden. Es ist punktweise für durch

definiert und es gibt wieder eine Projektionsabbildung

Zu einer Karte

, und der zugehörigen Identifizierung

ergibt sich die Identifizierung

Mit Hilfe dieser Abbildungen kann man auf eine Topologie und auch eine Mannigfaltigkeitsstruktur definieren.


Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit. Eine Differentialform (oder -Form oder Form vom Grad ) ist ein Schnitt im -fachen Dachprodukt des Kotangentialbündels, also eine Abbildung

mit .

Wir bezeichnen die Menge der -Formen auf mit

Eine -Form ordnet also jedem Punkt der Mannigfaltigkeit ein Element aus zu. Dies ist nach Korollar 81.2 und Satz 81.5 das gleiche wie eine alternierende multilineare Abbildung

Diese zugehörige Abbildung bezeichnen wir ebenfalls mit ; für Tangentialvektoren ist also

eine reelle Zahl. Dabei treten zwei grundverschiedene Argumente auf, einerseits der Punkt der Mannigfaltigkeit und andererseits Elemente aus dem Tangentialraum an diesem Punkt. Die Abhängigkeit von den Tangentialvektoren ist verhältnismäßig einfach, da es sich ja um eine alternierende multilineare Abbildung handelt, dagegen ist die Abhängigkeit von der Mannigfaltigkeit beliebig kompliziert. Da die Dachprodukte des Kotangentialbündels nach Aufgabe 83.6 selbst Mannigfaltigkeiten sind, kann man sofort von stetigen oder (wenn eine -Mannigfaltigkeit ist) differenzierbaren Differentialformen sprechen.

Für kommt der Kotangentialraum nur formal vor, eine -Form ist nichts anderes als eine Funktion . Eine -Form (man spricht auch von einer Pfaffschen Form) ordnet jedem Punkt und jedem Tangentialvektor an eine reelle Zahl zu. Für ist das -fache Dachprodukt der Nullraum und daher gibt es gar keine nichttrivialen Formen von diesem Grad. Besonders wichtig ist der Fall . Dann besitzt das -te Dachprodukt den Rang (d. h. die Dimension ist in jedem Punkt ) und ein Schnitt darin wird lokal durch eine einzige Funktion beschrieben. Eine empfehlenswerte Vorstellung ist dabei, dass zu Tangentialvektoren die Zahl das („orientierte“) Volumen des durch die Vektoren im Tangentialraum aufgespannten Paralleltops angibt. Diese Vorstellung ist auch bei kleineren hilfreich, mit den kann man das -dimensionale Volumen des durch Tangentialvektoren erzeugten Parallelotops berechnen. Diese Vorstellung wird präzisiert, wenn man über eine -dimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit integriert.




Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und zu sei die Menge der - Formen auf . Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Die bilden mit den natürlichen Operationen versehen reelle Vektorräume.
  2. Zu einer Differentialform und einer Funktion

    ist auch , wobei durch

    definiert ist.

  3. Jede - differenzierbare Funktion

    definiert über die Tangentialabbildung eine - Differentialform

    wobei der Tangentialraum von in mit identifiziert wird. Dies ergibt eine Abbildung

  4. Wenn eine offene Teilmenge ist, so ist bei der Identifizierung

    die Abbildung aus (3) gleich

  5. Die Abbildung aus (3) ist - linear.

(1) und (2) folgen unmittelbar aus einer punktweisen Betrachtung.
(3). Für jeden Punkt ist

eine nach Lemma 78.10  (3) lineare Abbildung und somit ein Element in , das wir mit bezeichnen. Die Zuordnung ist daher eine Differentialform.
(4) folgt aus Lemma 78.10  (1).
(5). Die Abbildung in (3) ist für jeden Punkt auf jeder offenen Umgebung festgelegt. Wir können daher annehmen, dass eine offene Menge ist, sodass die Aussage aus (4) und Proposition 44.5 folgt.


Zu einer offenen Menge hat man die Koordinatenfunktionen

zur Verfügung, die sich bei einer gegebenen Karte auf eine offene Teilmenge einer Mannigfaltigkeit übertragen. In jedem Punkt bilden die , , eine Basis des Kotangentialraumes an . Dies ist einfach die Dualbasis der Standardbasis im umgebenden Raum , den man auf ganz als Tangentialraum nimmt. Zu einer -elementigen Teilmenge

setzt man

dies ist eine besonders einfache -Form auf . Für jeden Punkt ist

Die Wirkungsweise von dieser Form auf ist nach Satz 81.5 gegeben durch

Gemäß Satz 81.3 bilden die Auswertungen der Differentialformen (mit )

für jeden Punkt eine Basis von , und daher lässt sich jede auf definierte -Differentialform eindeutig als

schreiben mit eindeutig bestimmten Funktionen



Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und eine offene Teilmenge mit einer Karte

und offen. Es seien

die zugehörigen Koordinatenfunktionen, .

Dann lässt sich jede auf definierte -Differentialform eindeutig schreiben als

mit eindeutig bestimmten Funktionen

Dies folgt aus Satz 81.3.



Es sei eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und eine offene Teilmenge mit einer Karte

und offen. Es seien

die zugehörigen Koordinatenfunktionen, . Es sei

eine differenzierbare Funktion.

Dann gilt für die zugehörige - Differentialform die Darstellung[1]

Wir können sofort annehmen, dass sich alles auf der offenen Menge abspielt. Für jeden Punkt gilt die folgende Gleichheit von Linearformen auf dem ,



Das Zurückziehen von Differentialformen

Definition  Definition 83.6 ändern

Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und es sei

eine differenzierbare Abbildung. Es sei eine -Differentialform auf . Dann nennt man die -Form auf , die der durch

gegebenen alternierenden Abbildung entspricht, die mit zurückgezogene -Form. Sie wird mit

bezeichnet.



Lemma  Lemma 83.7 ändern

Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und

eine differenzierbare Abbildung. Dann erfüllt das Zurückziehen von Differentialformen folgende Eigenschaften.

  1. Für eine Funktion ist .
  2. Die Abbildungen

    sind - linear.

  3. Wenn eine offene Untermannigfaltigkeit ist, so ist das Zurückziehen einer Differentialform einfach die Einschränkung auf diese Teilmenge.
  4. Es sei eine weitere differenzierbare Mannigfaltigkeit und

    eine weitere differenzierbare Abbildung. Dann gilt

    für jede Differentialform .

(1) folgt unmittelbar aus der Definition 83.6.
(2). Wir müssen für Differentialformen und und Skalare zeigen, dass gilt. Eine solche Gleichheit von Differentialformen bedeutet, dass die Gleichheit in jedem Punkt und für jedes -Tupel von Tangentialvektoren gilt. Daher folgt die Behauptung aus


(3) folgt unmittelbar aus der Definition.
(4). Es sei , und eine -Form auf . Dann gilt unter Verwendung von Lemma 78.10  (4)

und dies ist die Behauptung.



Lemma  Lemma 83.8 ändern

Es seien und offene Teilmengen, deren Koordinaten mit bzw. mit bezeichnet seien. Es sei

eine differenzierbare Abbildung und es sei eine - Differentialform auf mit der Darstellung

wobei Funktionen sind.

Dann besitzt die zurückgezogene Form die Darstellung

Die zweite Gleichung beruht auf einer einfachen Umordnung. Aufgrund von Lemma 83.7 (2) kann man sich auf den Fall beschränken. Wir setzen und dürfen annehmen. Wir zeigen die Gleichheit der beiden -Formen auf , indem wir zeigen, dass sie für jeden Punkt und jedes Dachprodukt mit den gleichen Wert liefern. Es ist einerseits

Wenn man andererseits die Summe auf anwendet, so ist außer bei , wo sich der Wert ergibt, sodass sich also der gleiche Wert ergibt.



Korollar  Korollar 83.9 ändern

Es seien offene Teilmengen, deren Koordinaten mit bzw. mit bezeichnet seien. Es sei

eine differenzierbare Abbildung und es sei eine - Differentialform auf mit der Darstellung

Dann besitzt die zurückgezogene Form die Darstellung

Dies folgt unmittelbar aus Lemma 83.8.



Korollar  Korollar 83.10 ändern

Es seien und offene Teilmengen, deren Koordinaten mit bzw. mit bezeichnet seien. Es sei

eine differenzierbare Abbildung mit konstant für ein und es sei eine - Differentialform auf mit der Darstellung

mit .

Dann ist .

Nach Lemma 83.8 gilt

Da

ist für alle , ist für jedes eine Zeile der Matrix , sodass die Determinanten stets sind.




Fußnoten
  1. Die Ableitungen wurden in der Vorlesung 77 eingeführt.



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