Kurs:Maß- und Integrationstheorie/1/Klausur mit Lösungen


Aufgabe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Punkte 3 3 6 3 4 3 8 1 4 6 11 4 3 5 64




Aufgabe (3 Punkte)

Definiere die folgenden (kursiv gedruckten) Begriffe.

  1. Ein topologischer Raum mit einer abzählbaren Basis.
  2. Eine -Algebra auf einer Menge .
  3. Eine Schrumpfung für eine Teilmenge .
  4. Die Rotationsmenge (um die -Achse) zu einer Teilmenge .
  5. Eine -integrierbare Funktion auf einem Maßraum zu .
  6. Die orthogonale Projektion auf einen vollständigen Untervektorraum in einem -Vektorraum mit Skalarprodukt.


Lösung

  1. Man sagt, dass eine abzählbare Basis besitzt, wenn es eine Basis der Topologie gibt, die nur aus abzählbar vielen offenen Mengen besteht.
  2. Ein Teilmengensystem auf heißt -Algebra, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind.
    1. Es ist .
    2. Mit gehört auch das Komplement zu .
    3. Für jede abzählbare Familie , , ist auch
  3. Eine Schrumpfung von ist eine Folge von Teilmengen , , in mit für alle und mit .
  4. Die Rotationsmenge zu ist
  5. Eine messbare Funktion

    heißt -integrierbar, wenn endlich ist.

  6. Die Abbildung , die jedem Element das aus der (nach Fakt *****) eindeutigen Zerlegung mit und zuordnet, heißt orthogonale Projektion auf .


Aufgabe (3 Punkte)

Formuliere die folgenden Sätze.

  1. Der Satz über die Fortsetzung eines äußeren Maßes.
  2. Der Satz über einfache Funktionen und messbare Funktion.
  3. Der Satz von Arzelà-Ascoli.


Lösung

  1. Es sei eine Menge, ein Präring auf und

    ein äußeres Maß auf . Dann ist die Fortsetzung des äußeren Maßes ein äußeres Maß auf der Potenzmenge

    , das auf mit übereinstimmt.
  2. Es sei ein Messraum und sei

    eine messbare numerische nichtnegative Funktion.

    Dann gibt es eine wachsende Folge von nichtnegativen einfachen Funktionen

    die punktweise gegen

    konvergieren.
  3. Es sei ein kompakter topologischer Raum und , versehen mit der Maximumsnorm. Dann ist genau dann kompakt, wenn die drei folgenden Bedingungen erfüllt sind.
    1. ist abgeschlossen.
    2. ist gleichgradig stetig.
    3. Für jeden Punkt ist das Auswertungsbild beschränkt.


Aufgabe (6 Punkte)

Es sei ein topologischer Raum und sei die davon erzeugte Mengenalgebra. Zeige, dass diese genau aus allen endlichen Vereinigungen

mit offenen Mengen und abgeschlossenen Mengen besteht.


Lösung

Zu der von der Topologie erzeugten Mengenalgebra müssen alle offenen Teilmengen und somit, da eine Mengenalgebra auch unter Komplementen abgeschlossen ist, auch alle abgeschlossenen Teilmengen gehören. Da eine Mengenalgebra mit zwei Teilmengen auch deren Durchschnitt und deren Vereinigung enthält, gehören die angegebenen Mengen zu .

Zur Umkehrung müssen wir zeigen, dass das angegebene Mengensystem eine Mengenalgebra ist, die alle offenen Mengen enthält. Eine offene Menge kann man als schreiben und ist daher von der angegebenen Form, da selbst abgeschlossen ist. Insbesondere ist der Gesamtraum von der angegebenen Form. Es sei eine Menge

gegeben. Ihr Komplement ist

Hierbei sind die jeweils abgeschlossen und die jeweils offen, sodass eine Menge in der gewünschten Form vorliegt.

Die Vereinigung von zwei Mengen in der angegebenen Form ist offensichtlich wieder von dieser Form.


Aufgabe (3 Punkte)

Man gebe ein Beispiel für eine beschränkte Teilmenge , die man als eine abzählbare disjunkte Vereinigung von rechtsseitig halboffenen Intervallen schreiben kann, aber nicht als eine endliche Vereinigung.


Lösung

Wir setzen

Dies ist eine abzählbare disjunkte Vereinigung von Intervallen, die rechtsseitig offen sind. Wegen ist die Menge beschränkt. Da die unendlich vielen Punkte nicht zu gehören, kann nicht eine endliche Vereinigung von Intervallen sein, da jeden Intervall nur eines der beteiligten Intervalle enthalten kann.


Aufgabe (4 (2+2) Punkte)

Eine Bratpfanne hat einen Durchmesser von cm und wird mit Öl und mit kreisrunden Bratkartoffeln überschneidungsfrei bedeckt, die alle einen Durchmesser von cm und eine Höhe von cm haben. Das Öl bildet unterhalb der Bratkartoffeln einen dünnen Ölfilm von mm Höhe und erreicht in den Zwischenräumen eine Höhe von mm.

a) Wie viel Öl befindet sich in der Pfanne (rechne mit ; Einheit nicht vergessen)?

b) Welche maßtheoretischen Gesetzmäßigkeiten wurden bei der Berechnung von a) verwendet?


Lösung

a) Die Grundfläche der Pfanne ist und die Grundfläche einer Bratkartoffel ist (in Quadratzentimetern). Daher werden Quadratzentimeter von den Kartoffeln bedeckt und Quadratzentimeter nicht. Daher ist die Ölmenge in Kubikzentimetern

In der Pfanne befindet sich also Kubikzentimeter Öl.

b) Es wurde dabei die Formel für die Kreisfläche (für die Grundfläche der Pfanne und der Kartoffeln), die Produktformel für das Maß (bei der Berechnung der Ölmenge aus Grundfläche und Höhe) einer Produktmenge und das Additivitätsprinzip für disjunkte Teilmengen (bei der Zerlegung in den bedeckten und den unbedeckten Teil) angewendet.


Aufgabe (3 Punkte)

Berechne den Flächeninhalt des von den Vektoren

im erzeugten Parallelogramms (in dem von diesen Vektoren erzeugten Unterraum).


Lösung

Es ist

und

Die Determinante der zugehörigen Matrix ist

Daher ist der Flächeninhalt des Parallelogramms gleich .


Aufgabe (8 Punkte)

Es sei ein translationsinvariantes Maß auf dem , das auf dem Einheitswürfel endlich sei. Es sei ein echter Untervektorraum. Zeige .


Lösung

 Es sei ein Untervektorraum der Dimension und nehmen wir an, dass ist. Es sei eine Basis von und

das davon erzeugte -dimensionale Parallelotop. Dies lässt sich durch endlich viele verschobene Einheitswürfel überpflastern und besitzt demnach ein endliches Maß. Die verschobenen Parallelotope

besitzen wegen der Translationsinvarianz alle dasselbe Maß und bilden eine Überpflasterung von . Da es abzählbar viele sind, muss gelten. Es sei nun eine Ergänzung der Basis zu einer Basis von , und sei

das zugehörige -dimensionale Parallelotop. Für dieses ist

Wir betrachten nun die abzählbar unendlich vielen Parallelotope

Diese liegen alle innerhalb von und besitzen wegen der Translationsinvarianz alle das gleiche Maß wie . Ferner sind sie paarweise disjunkt, da andernfalls ein nichttriviales Vielfaches von zu gehören würde. Aus

folgt , ein Widerspruch.


Aufgabe (1 Punkt)

Es sei

eine numerische Funktion. Zeige


Lösung

Es sei . Bei ist und , somit ist

Bei ist hingegen und , und somit ist


Aufgabe (4 Punkte)

Berechne das Integral

wobei den Einheitskreis bezeichnet.


Lösung

Es ist

Mit der Substitution ist dieses Integral gleich


Aufgabe (6 Punkte)

Beweise die Transformationsformel für Maße für einen Diffeomorphismus

unter Verwendung geeigneter Sätze.


Lösung

Ein Diffeomorphismus und seine Umkehrabbildung sind stetig, daher liegt eine Bijektion der messbaren Teilmengen von und von vor. Wir betrachten die beiden Zuordnungen

also das Maß auf mit der Dichte , und

also das Bildmaß von unter der Umkehrabbildung , und müssen zeigen, dass diese beiden Maße gleich sind.
Nach Korollar 14.1 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) gilt die Gleichheit für alle kompakten achsenparallelen Quader. Aufgrund von Aufgabe 9.3 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) bzw. Korollar 13.6 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) gilt die Gleichheit auch für alle offenen bzw. „nach oben halboffenen“ achsenparallelen Quader, also Produkte von nach oben halboffenen Intervallen. Die Menge der endlichen disjunkten Vereinigungen von diesen zuletzt genannten Quadern bilden einen Mengen-Präring im . Diese Menge ist auch ein durchschnittsstabiles Erzeugendensystem für das System der Borelmengen. Daher müssen nach Satz 3.7 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)) die beiden Maße generell übereinstimmen.


Aufgabe (11 (4+7) Punkte)

Wir betrachten die Funktion

a) Bestimme zu jedem Punkt das Volumen des Körpers

b) Zeige, dass das (von abhängige) Volumen aus Teil a) in genau einem Punkt minimal ist (dieser Punkt muss nicht explizit angegeben werden).


Lösung

a) Das Volumen ist

b) Die Ableitung der Volumenfunktion

ist

Ein Minimum kann nur vorliegen, wenn die Ableitung ist. Wir zeigen, dass dies nur für ein der Fall sein kann. Wegen der ersten Komponente muss sein. Wir zeigen, dass die zweite Komponente

ebenfalls nur eine Nullstelle besitzt, indem wir zeigen, dass streng wachsend ist. Die Ableitung von ist

Diese Funktion ist für und offenbar positiv, sie besitzt also genau ein Minimum, und zwar wegen

bei

Der Wert des Minimums von ist

Dies bedeutet, dass stets positiv ist und somit ist streng wachsend. Da ferner ein Polynom vom Grad ist, also für und für gilt, besitzt genau eine Nullstelle. Insgesamt besitzt also genau einen kritischen Punkt.

Wir müssen noch zeigen, dass in dem einzigen kritischen Punkt ein Minimum von vorliegt. Die Hesse-Matrix zu ist

Diese Matrix ist für jedes nach der oben durchgeführten Berechnung positiv definit, also liegt im kritischen Punkt ein Minimum vor.


Aufgabe (4 Punkte)

Es sei eine total beschränkte Teilmenge in einem metrischen Raum . Zeige, dass auch der Abschluss total beschränkt ist.


Lösung

Sei gegeben. Zu gibt es wegen der totalen Beschränktheit von endlich viele Punkte mit

Wir behaupten

Zu einem Punkt gibt es eine Folge , die gegen konvergiert. Daher gibt es insbesondere ein mit

Wegen gibt es einen Punkt mit . Daher ist

also .


Aufgabe (3 Punkte)

Es sei ein endlicher Maßraum und sei . Zeige .


Lösung

Es sei . Wie setzen

Dann ist

Der linke Summand ist höchstens und insbesondere endlich. Für den rechten Summanden gilt

was nach Voraussetzung auch endlich ist.


Aufgabe (5 Punkte)

Es sei ein - Hilbertraum und sei der stetige Dualraum von . Zeige, dass die natürliche lineare Abbildung

eine isometrische Isomorphie von Hilberträumen ist.


Lösung

Zu jedem ist die Auswertung

stetig nach Aufgabe 21.6 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)). Es ist daher klar, dass eine lineare Abbildung von nach vorliegt. Die Injektivität der Abbildung beruht darauf, dass das Skalarprodukt nicht ausgeartet ist. Die Surjektivität ist Lemma 21.14 (Maß- und Integrationstheorie (Osnabrück 2022-2023)), wir haben also eine Isomorphie. Zum Nachweis, dass eine Isometrie vorliegt, genügt es zu zeigen, dass die Norm von mit der Supremumsnorm (auf der -Sphäre) der zugehörigen Linearform übereinstimmt. Es ist

nach Satz 32.11 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)). Daher haben wir

für alle Vektoren mit Norm , was sich auf das Supremum überträgt. Ferner ist für (es sei )

das Supremum ist also gleich . Daher ist auch ein Hilbertraum.