Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2022-2023)/Teil II/Vorlesung E/Referenzsuche
Den Abstand zwischen zwei reellen Zahlen
bezeichnen wir mit
Bei einer Funktion
kann man sich fragen, inwiefern der Abstand in der Wertemenge durch den Abstand in der Definitionsmenge kontrollierbar ist. Sei
und
der Bildpunkt. Man möchte, dass für Punkte die an sind, auch die Bildpunkte an sind. Schon lineare Funktionen mit unterschiedlicher Steigung zeigen, dass die im Bildbereich nicht mit der im Definitionsbereich direkt verglichen werden kann. Die Zielsetzung ist vielmehr, dass zu einer gewünschten Genauigkeit im Bildbereich überhaupt eine Ausgangsgenauigkeit gefunden werden kann, die sichert, dass die Funktionswerte innerhalb der gewünschten Genauigkeit beieinander liegen.
Um diese intuitive Vorstellung zu präzisieren, sei ein
vorgegeben. Dieses repräsentiert eine Die Frage ist dann, ob man ein
finden kann (eine) mit der Eigenschaft, dass für alle mit
die Beziehung
gilt. Dies führt zum Begriff der stetigen Funktion.
Es sei
eine Teilmenge,
eine Funktion und Man sagt, dass stetig im Punkt ist, wenn es zu jedem
ein
derart gibt, dass für alle
mit
die Abschätzung
gilt. Man sagt, dass stetig ist, wenn sie in jedem Punkt
stetig ist.
Bei sollte man an den Definitionsbereich der Funktion denken. Typische Situationen sind, dass ganz ist, oder ein reelles Intervall, oder ohne endlich viele Punkte und Ähnliches. Statt mit den nichtnegativen reellen Zahlen
kann man genauso gut mit Stammbrüchen
oder mit inversen Zehnerpotenzen
arbeiten.
Eine konstante Funktion
ist stetig. Zu jedem vorgegebenen kann man hier ein beliebiges wählen, da ja ohnehin
gilt.
Eine lineare Funktion
mit einem Proportionalitätsfaktor
(bei
ist die Funktion konstant und somit auch stetig) ist ebenfalls stetig. Zu jedem vorgegebenen kann man unabhängig vom Punkt hier
wählen: Wenn nämlich
gilt, so ist
Wir zeigen, dass das Quadrieren
an der Stelle stetig ist. Es sei ein
vorgegeben, das wir als
annehmen dürfen. Wir müssen ein
finden, das die Eigenschaft besitzt: Wenn
dann ist auch
also wenn
nahe beieinander sind, so sind die beiden Funktionswerte nahe beieinander. Wenn man zu eine Zahl hinzuaddiert, so ist der Funktionswert gleich
und die Differenz zu ist somit Insbesondere muss diese Differenz kleinergleich dem vorgegebenen werden. Dies wird erreicht, wenn die beiden Summanden und beide kleinergleich sind. Dies legt die Wahl
nahe. Es gelten dann in der Tat für
die Abschätzungen
Das vorhergehende Beispiel zeigt schon, dass im Allgemeinen das Auffinden eines geeigneten zu einem vorgegebenen recht mühsam sein kann. Wir werden aber gleich wichtige Sätze kennenlernen, mit denen man die Stetigkeit einer Vielzahl an wichtigen Funktionen sofort erhält.
Wir betrachten die Funktion
mit
Diese Funktion ist im Nullpunkt nicht stetig. Für
und jedes beliebige positive gibt es nämlich negative Zahlen mit
Für diese ist aber
Die folgende Aussage bringt die Stetigkeit mit konvergenten Folgen in Verbindung.
Es sei
eine Teilmenge,
eine Funktion und Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist stetig im Punkt
- Für jede konvergente Folge in mit ist auch die Bildfolge konvergent mit dem Grenzwert
Es sei (1) erfüllt und sei eine Folge in die gegen konvergiert. Wir müssen zeigen, dass
ist. Dazu sei
vorgegeben. Wegen (1) gibt es ein
mit der angegebenen Abschätzungseigenschaft und wegen der Konvergenz von gegen gibt es eine natürliche Zahl derart, dass für alle
die Abschätzung
gilt. Nach der Wahl von ist dann
sodass die Bildfolge gegen konvergiert.
Es sei (2) erfüllt. Wir nehmen an, dass nicht stetig ist. Dann gibt es ein
derart, dass es für alle
Elemente
gibt, deren Abstand zu maximal gleich ist, deren Wert unter der Abbildung aber zu einen Abstand besitzt, der größer als ist. Dies gilt dann insbesondere für die Stammbrüche , D.h. für jede natürliche Zahl
gibt es ein
mit
Diese so konstruierte Folge konvergiert gegen aber die Bildfolge konvergiert nicht gegen da der Abstand der Bildfolgenglieder zu zumindest ist. Dies ist ein Widerspruch zu (2).
Es sei
eine stetige Funktion. Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Funktion ist durch ihre Werte auf eindeutig festgelegt.
- Der Funktionswert ist durch die Funktionswerte , festgelegt.
- Wenn für alle die Abschätzung gilt, so gilt auch
- Nach Korollar 28.10 gibt es für jede reelle Zahl eine Folge von rationalen Zahlen (sogar von Dezimalbrüchen), die gegen konvergiert. Wegen der Stetigkeit und Lemma 51.6 ist dann
- Für jedes ist Da die Folge der Stammbrüche eine Nullfolge ist, konvergiert diese Folge gegen Wegen der Stetigkeit und Lemma 51.6 ist wieder
- Dies folgt aus Teil (2) und Lemma 44.15.
Die letzte Aussage gilt nicht, wenn man durch ersetzt.
Es seien
und
Teilmengen und
und
Funktionen mit Dann gelten folgende Aussagen.
- Wenn in und in stetig sind, so ist auch die Hintereinanderschaltung in stetig.
- Wenn stetig sind, so ist auch stetig.
Die Aussage (1) ergibt sich direkt aus der Folgencharakterisierung der Stetigkeit. Daraus folgt auch (2).
Es sei
und seien
Dann sind auch die Funktionen
stetig. Für eine Teilmenge
auf der keine Nullstelle besitzt, ist auch die Funktion
stetig.
Dies ergibt sich aus der Folgencharakterisierung der Stetigkeit und Lemma 44.12.
sind stetig.
Aufgrund von Beispiel 51.3 und Satz 51.9 sind für jedes
die Potenzen
stetig. Daher sind auch für jedes
die Funktionen
stetig und wiederum aufgrund von Satz 51.9 sind auch alle Funktionen
stetig.
Dies folgt aus Korollar 51.10 und Satz 51.9.
Eine weit verbreitete, aber (ziemlich) falsche Vorstellung besagt, dass stetige Funktionen diejenigen sind, deren Graphen man mit dem Stift ohne abzusetzen zeichnen kann. Eine allerdings richtige Schlussfolgerung aus dieser Vorstellung ist, dass wenn eine stetige Funktion sowohl negative als auch positive Werte annimmt, sie dann auch die Achse irgendwo durchstoßen muss und dass es daher eine Nullstelle geben muss. Dies ist der Inhalt des Zwischenwertsatzes.
Es seien
reelle Zahlen und sei
eine stetige Funktion. Es sei
eine reelle Zahl zwischen
Dann gibt es ein
mit
Wir beschränken uns auf die Situation
und zeigen die Existenz von einem solchen mit Hilfe einer Intervallhalbierung. Dazu setzt man
betrachtet die Intervallmitte
und berechnet
Bei
setzt man
und bei
setzt man
In jedem Fall hat das neue Intervall die halbe Länge des Ausgangsintervalls und liegt in diesem. Da es wieder die Voraussetzung
erfüllt, können wir darauf das gleiche Verfahren anwenden und gelangen so rekursiv zu einer Intervallschachtelung. Sei die durch diese Intervallschachtelung gemäß Satz 48.2 definierte reelle Zahl. Für die unteren Intervallgrenzen gilt
und das überträgt sich wegen der Stetigkeit nach dem Folgenkriterium auf den Grenzwert also
Für die oberen Intervallgrenzen gilt
und das überträgt sich ebenfalls auf also Also ist
Die in diesem Beweis beschriebene Methode ist konstruktiv und kann zu einem expliziten Verfahren ausgebaut werden.
Es seien
reelle Zahlen und sei
eine stetige Funktion mit
Dann gibt es ein
mit
und mit
d.h. besitzt eine Nullstelle zwischen
Dies folgt direkt aus Satz 52.1.
Es seien
reelle Zahlen und sei
eine stetige Funktion mit
Dann besitzt die Funktion aufgrund des Zwischenwertsatzes eine Nullstelle in diesem Intervall. Diese kann man wie im Beweis des Zwischenwertsatzes beschrieben durch eine finden. Dazu setzt man
und betrachtet die Intervallmitte Man berechnet
Bei
setzt man
und bei
setzt man
In jedem Fall hat das neue Intervall die halbe Länge des Ausgangsintervalls und liegt in diesem. Da es wieder die Voraussetzung erfüllt, können wir darauf das gleiche Verfahren anwenden und gelangen so rekursiv zu einer Intervallschachtelung. Die durch die Intervallschachtelung definierte reelle Zahl
ist eine Nullstelle der Funktion.
Wir wollen eine Nullstelle des Polynoms
mit Hilfe von Verfahren 52.3 approximieren. Es ist
und
es muss also nach Korollar 52.2 eine Nullstelle im Intervall geben. Wir berechnen den Funktionswert an der Intervallmitte und erhalten
Wir müssen also mit dem rechten Teilintervall weitermachen. Dessen Intervallmitte ist Der Funktionswert an dieser Stelle ist
Jetzt müssen wir mit dem linken Teilintervall weitermachen, dessen Mitte ist Der Funktionswert an dieser Stelle ist
Somit wissen wir, dass es eine Nullstelle zwischen
gibt.
Mit der im Beweis des Zwischenwertsatzes verwendeten Intervallhalbierungsmethode kann man insbesondere auch Quadratwurzeln also Folgen angeben, die gegen die Quadratwurzel konvergieren. Die Konvergenzgeschwindigkeit beim babylonischen Wurzelziehen ist aber deutlich höher.
Mit dem Zwischenwertsatz erhält man einen neuen Beweis für die Existenz von beliebigen Wurzeln aus nichtnegativen reellen Zahlen. Sei
und
Man betrachtet die Funktion
die nach Korollar 51.10 stetig ist. Es ist
und für hinreichend groß (beispielsweise für) ist
Somit gibt es ein
mit
also
Ein regelmäßiger quadratischer Tisch mit vier Beinen steht auf einem unebenen, aber stufenfreien Untergrund. Im Moment steht er auf den Beinen und das Bein ragt in die Höhe (wenn man in ihrer Position belässt und auf den Boden drückt, würde versinken). Wir behaupten, dass man den Tisch durch eine (maximal Viertel)-Drehung um die eigene Achse (sagen wir gegen den Uhrzeigersinn) in eine Position bringen kann, wo er auf allen vier Beinen steht (wobei der Tisch nicht unbedingt genau horizontal stehen muss). Dazu betrachten wir die Funktion, die einem Drehwinkel (zwischen und Grad) die Höhe des Beines über dem Grund zuordnet, wenn die drei übrigen Beine auf dem Boden stehen (würden). Dabei kann diese Höhe auch negativ werden (was sich bei einem sandigen Untergrund praktisch realisieren lässt; sonst denke man sich dies). Bei Grad ist die Höhe positiv. Bei Grad erhält man eine Situation, die symmetrisch zur Ausgangssposition ist, wobei aber nach wie vor die Beine auf dem Boden sein sollen. Wegen der in der Klammer formulierten Beobachtung muss die Höhe von negativ sein. Die Funktion hat also auf dem Intervall sowohl positive als auch negative Werte. Da sie wegen der Stufenfreiheit stetig ist, besitzt sie nach dem Zwischenwertsatz auch eine Nullstelle.
Die Abbildung
ist stetig, sie genügt aber nicht dem Zwischenwertsatz. Für
ist
und für
ist
es gibt aber kein
mit
da dafür
sein muss, wofür es in keine Lösung gibt. Der Zwischenwertsatz funktioniert also nur für reelle Zahlen.
Unter den reellen Zahlen sind manche von den ganzen oder rationalen Zahlen her besser erfassbar als andere. Die rationalen Zahlen sind als Brüche mit ganzen Zahlen als Zähler und Nenner erfassbar, und man kann sie als Lösungen von Gleichungen der Form
mit ganzzahligen Koeffizienten auffassen. Die Quadratwurzel ist eine irrationale Zahl, die aber die Gleichung
erfüllt, welche über den ganzen Zahlen formulierbar ist. Dies gilt für alle Zahlen der Form mit
sie lösen die Gleichung
bzw. sie sind eine Nullstelle des ganzzahligen Polynoms Auch Wurzeln aus rationalen Zahlen kann man als eine Nullstelle eines ganzzahligen (wo alle Koeffizienten zu gehören) Polynoms ansehen. Es ist nämlich eine Nullstelle von Man kann nun die Teilmenge der reellen Zahlen
betrachten. Dazu gehören alle Wurzeln aus rationalen Zahlen, aber noch viele weitere Zahlen darüber hinaus. Sobald ein ganzzahliges Polynom sowohl negative als auch positive Werte annimmt, gibt es nach dem Zwischenwertsatz auch eine Nullstelle und diese gehört nach Definition zu Beispielsweise gehört die in Beispiel 52.4 approximierte Nullstelle (zwischen und ) von zu dieser Menge. Da diese Zahlen durch ganzzahlige Polynome erfassbar sind, spricht man von Diese Zahlen bilden sogar einen Körper, den Körper der reell-algebraischen Zahlen, was keineswegs selbstverständlich ist. Beispielsweise bilden die Quadratwurzeln keinen Körper, es ist keine Quadratwurzel einer natürlichen Zahl, wohl aber eine reell-algebraische Zahl. Aufgrund von schwierigen Sätzen sind die Eulersche Zahl und die Kreiszahl nicht algebraisch, man spricht von
Es sei ein reelles Intervall und
eine stetige Funktion.
Dann ist auch das Bild ein Intervall.
Sei
Aus dem Zwischenwertsatz folgt sofort, dass wenn
sind und
mit
gegeben ist, auch
sein muss. Nach Aufgabe 48.8 ist ein Intervall.
Für eine bijektive stetige Funktion auf einem reellen Intervall ist die Umkehrabbildung wieder stetig. Dies ist keineswegs selbstverständlich.
Es sei
ein Intervall und
eine stetige, streng wachsende Funktion.
Dann ist das Bild
ebenfalls ein Intervall, und die Umkehrabbildung
ist ebenfalls stetig.
Dass das Bild wieder ein Intervall ist folgt aus
Korollar 52.9.
Die Funktion ist
injektiv,
da sie streng wachsend ist und damit ist die Abbildung
auf das Bild
bijektiv.
Die Umkehrfunktion
ist ebenfalls streng wachsend.
Sei
und
vorgegeben. Es sei zunächst kein Randpunkt von Dann ist auch kein Randpunkt von Sei
vorgegeben und ohne Einschränkung
angenommen. Dann ist
und für
gilt wegen der Monotonie
Also ist stetig in Wenn ein Randpunkt von ist, so ist auch ein Randpunkt von sagen wir der rechte Randpunkt. Dann ist zu vorgegebenem
wieder
und
erfüllt die geforderte Eigenschaft.
Es sei Für ungerade ist
die Potenzfunktion
stetig, streng wachsend, bijektiv und die Umkehrfunktion
ist streng wachsend und stetig.
Für gerade ist die Potenzfunktion
stetig, streng wachsend, bijektiv und die Umkehrfunktion
ist streng wachsend und stetig.
Die Stetigkeit ergibt sich aus Korollar 51.9. Das Wachstumsverhalten wurde für die Potenzfunktionen in Lemma 25.18 bewiesen. Für
ist
woraus die Unbeschränktheit des Bildes nach oben folgt. Bei ungerade folgt ebenso die Unbeschränktheit des Bildes nach unten. Aufgrund des Zwischenwertsatzes ist das Bild daher
Somit sind die angegebenen Potenzfunktionen surjektiv und die Umkehrfunktionen existieren. Das Wachstumsverhalten überträgt sich auf die Umkehrfunktionen. Die Stetigkeit der Umkehrfunktionen folgt aus Satz 52.11.
Zu einer positiven Zahl
aus einem angeordneten Körper haben wir in der 27. Vorlesung die ganzzahlige Exponentialfunktion , zur Basis besprochen, die einer ganzen Zahl den Wert zuordnet. Die entscheidende Gesetzmäßigkeit ist dabei (vergleiche Lemma 27.8 (4))
Für den Fall
kann man den Definitionsbereich wesentlich erweitern, und zwar in zwei Schritten. Wir besprechen zunächst die Ausdehnung von auf und anschließend die Ausdehnung von auf Ausgangspunkt ist die Bezeichnungsweise für die auf den ersten Blick willkürlich erscheinen mag, die sich aber durch die Beziehung
überzeugend rechtfertigen lässt.
Zu
und
mit
() setzt man
Insbesondere setzt man
Bei
stimmt diese Schreibweise mit den früher gemachten Festlegungen überein. Die Existenz und Eindeutigkeit der Zahlen (wenn also Zähler und Nenner fixiert sind) ist durch Satz 48.7 gesichert (insbesondere sind dies stets positive Zahlen). Auf dieser Eindeutigkeit beruht auch das Potenzprinzip, das wir in der 48. Vorlesung erwähnt haben: Zwei positive reelle Zahlen stimmen bereits dann überein, wenn eine gewisse gleichnamige Potenz von ihnen übereinstimmt. Eine weitere Anwendung dieses Prinzips ist die Wohldefiniertheit der Definition von Man muss sich nämlich noch klar machen, dass bei verschiedenen Bruchdarstellungen
das gleiche herauskommt. Dies ergibt sich aus
Dabei gilt die erste Gleichung, da die te Potenz (nach Lemma 11.8 (2)) auch links ergibt (entsprechend für die rechte Gleichung).
Statt mit kann man genauso gut mit arbeiten. Die te Potenz von ist natürlich Es ist aber nach Lemma 23.12 (4) auch
Es sei eine positive reelle Zahl. Dann besitzt die Funktion
folgende Eigenschaften.
- Es ist für alle
- Es ist
- Für und ist
- Für und ist
- Für ist streng wachsend.
- Für ist streng fallend.
- Es ist für alle
- Für ist
- Wir können annehmen, dass die Exponenten mit einem gemeinsamen Nenner vorliegen, also
und
Dann ist unter Verwendung von
Lemma 27.8 (4)
(angewendet für die Basis und die ganzzahligen Exponenten und)
- Sei Dann ist unter Verwendung von Lemma 27.8 (5)
- Sei also Mit ist nach Lemma 19.13 (8) auch und davon ist auch die te Wurzel
- Wird ähnlich wie (3) begründet.
- Dies folgt aus (1) und (3). Es sei nämlich Dann ist mit Dann ist
- Wird ähnlich wie (5) begründet.
- Sei
und
Dann ist unter Verwendung von
Lemma 23.12 (4)
und
Satz 48.7 (1)
- Mit
ist unter Verwendung von
Satz 48.7 (2)
und
Lemma 23.12 (5)
Diese Eigenschaften sind für ganzzahlige Argumente aus
Lemma 27.8
und aus
Lemma 27.9
vertraut. Die erste Eigenschaft nennt man auch die Sie bedeutet, dass zu jedem
vorliegt. Für
sind diese nach Satz 53.2 (6) bzw. Satz 53.2 (7) und Lemma 25.15 injektiv.
Die oben auf den rationalen Zahlen definierten Exponentialfunktionen besitzen eine Fortsetzung auf die reellen Zahlen, die entsprechend mit
bezeichnet wird. Wie ist diese zu definieren, welche Bedeutung soll beispielsweise der Ausdruck
bekommen? Die richtige Idee ist hier, den Exponenten durch eine rationale Folge zu approximieren (etwa durch die Dezimalbruchfolge oder eine Heron-Folge) und dann die Folge von Potenzen mit rationalen Exponenten zu betrachten, die wir im ersten Teil der Vorlesung eingeführt haben. Wenn diese Folge konvergiert, so hat man einen sinnvollen Kandidaten für Dieser Ansatz erfordert aber, dass man zeigen kann, dass dieser Grenzwert unabhängig von der gewählten Folge ist. Dazu dient das folgende Lemma.
Es sei
eine monotone Funktion.
Dann ist für jedes
und jede rationale streng wachsende Folge
die gegen
konvergiert,
die Folge konvergent mit einem nur von abhängigen Grenzwert.
Ohne Einschränkung sei wachsend. Es sei eine rationale streng wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann ist auch eine wachsende Folge. Es sei
mit
Dann ist auch
für alle
Die Bildfolge ist also wachsend und nach oben beschränkt, daher besitzt sie nach Korollar 47.3 einen Grenzwert in Es sei eine weitere rationale streng wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann gibt es zu jedem ein mit
Wegen der Monotonie von überträgt sich dies auf die Bildfolgen, d.h. es ist
Somit ist
und wegen der Symmetrie der Situation konvergieren beide Folgen gegen den gleichen Grenzwert.
Die vorstehende Situation bedeutet, dass man für Zahlen durch die Festlegung
mit einer beliebigen rationalen streng wachsenden Folge die gegen konvergiert, eine auf ganz definierte Funktion erhält. Da wir für nicht die Stetigkeit voraussetzen, kann sich für rationale Zahlen der Funktionswert bei dieser Konstruktion sogar ändern.
Dieses Fortsetzungsverfahren wenden wir auf die Exponentialfunktion an, d.h. für ist
mit einer beliebigen streng wachsenden Folge aus rationalen Zahlen die gegen konvergiert. Für rationale Zahlen ändert sich dabei der Wert nicht, da die rationalen Exponentialfunktionen stetig sind. Dies ergibt sich genau so wie die Stetigkeit der auf definierten Exponentialfunktionen weiter unten aus der Funktionalgleichung und der Monotonie, siehe Aufgabe 53.5.
Es sei eine positive reelle Zahl. Die Funktion
heißt Exponentialfunktion zur Basis
Die in Satz 53.2 gezeigten Eigenschaften übertragen sich auf die reellen Zahlen.
Es sei eine positive reelle Zahl. Dann besitzt die Exponentialfunktion
folgende Eigenschaften.
- Es ist für alle
- Es ist
- Für und ist
- Für und ist
- Für ist streng wachsend.
- Für ist streng fallend.
- Es ist für alle
- Für ist
Wir beweisen (1), die anderen Eigenschaften ergeben sich ähnlich, siehe Aufgabe 53.16. Es sei eine wachsende rationale Folge, die gegen konvergiert, und eine wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann ist nach Lemma 44.12 (1) die Folge eine wachsende rationale Folge, die gegen konvergiert. Somit ist unter Verwendung der rationalen Funktionalgleichung und von Lemma 44.12 (2)
Es sei eine positive reelle Zahl. Dann ist die Exponentialfunktion
Sei
Wir zeigen zuerst die Stetigkeit im Nullpunkt. Da nach Aufgabe 48.22 die Folge , gegen konvergiert, und da die Exponentialfunktion wachsend ist, gibt es zu jedem positiven ein positives mit der Eigenschaft, dass aus
die Abschätzung
folgt. Es sei nun beliebig und vorgegeben. Wir betrachten ein das zu
die Stetigkeit im Nullpunkt sichert. Dann gilt unter Verwendung von Satz 53.5 (1) für mit
die Abschätzung
Es sei
eine positive reelle Zahl. Dann ist die Exponentialfunktion
Die Homomorphieeigenschaft folgt direkt aus der Funktionalgleichung, die Injektivität folgt aus der der Monotonieeigenschaft in Zusammenhang mit Lemma 25.15. Zum Nachweis der Surjektivität sei
vorgegeben. Nach Lemma 27.10 gibt es ganze Zahlen mit
Aufgrund des Zwischenwertsatzes, den wir wegen der in Satz 53.6 bewiesenen Stetigkeit der Exponentialfunktionen anwenden können, gibt es ein
mit
was die Surjektivität bedeutet.
Eine besonders wichtige Exponentialfunktion ergibt sich, wenn man als Basis die
Eulersche Zahl
nimmt, die wir als
eingeführt haben. In Bemerkung 48.13 haben wir erwähnt, dass diese Zahl mit
übereinstimmt. Für diese Exponentialfunktion gibt es ebenfalls eine weitere Darstellung, die sich an dieser Reihe orientiert, die Darstellung als Potenzreihe. Diese Übereinstimmung können wir hier nicht beweisen.
Für die Exponentialfunktion zur Basis gilt die Darstellung
Eine Besonderheit dieser Funktion ist, dass sie mit ihrer Ableitung übereinstimmt. Die Steigung der Tangenten an einem Punkt des Graphen stimmt also stets mit dem Funktionswert überein. Der Satz bedeutet insbesondere, dass die Reihe für jedes konvergiert, wobei diese Konvergenz im Allgemeinen recht schnell ist.
Zu
sind die reellen Exponentialfunktionen
stetig, streng wachsend oder streng fallend und bijektiv. Wir betrachten die Umkehrfunktionen dazu.
Zu einer positiven reellen Zahl , wird der Logarithmus zur Basis
als
Umkehrfunktion zur reellen Exponentialfunktion zur Basis definiert. Der Wert dieser Funktion an der Stelle
wird mit
bezeichnet.
Aus der Umkehreigenschaft ergeben sich direkt die Beziehungen
und
Der Logarithmus zur Basis wird auch als geschrieben bezeichnet. Die Logarithmen sind nach Satz 53.6 und Satz 52.11 stetige, bijektive Abbildungen
Die folgenden Regeln ergeben sich direkt aus der Definition der Logarithmen als Umkehrfunktionen der Exponentialfunktionen.
Die Logarithmen zur Basis erfüllen die folgenden Rechenregeln.
- Es gilt
- Es gilt für
- Es gilt
Beweis
Das Prinzip des Rechenschiebers beruht auf den Logarithmen. Man möchte die reellen Zahlen
miteinander multiplizieren. Man berechnet zu einer fixierten Basis die zugehörigen Logarithmen, also
Dann addiert man und berechnet davon den Wert der Exponentialfunktion zur Basis Dies ist nach Lemma 53.10 (1) gleich
also das gesuchte Produkt. Die Berechnungen des Logarithmus und der Exponentialfunktion können dabei durch hinreichend genaue Wertetabellen oder eben durch eine logarithmische Skala auf dem Rechenschieber ersetzt werden. Die Addition der Logarithmen wird dabei mechanisch durch das Verschieben der beweglichen Skala bewerkstelligt. Auf einer logarithmischen Skala werden die Zahlen zwischen
auf einer Strecke so angeordnet, dass die (auf der üblichen Skala) Stelle mit bezeichnet wird. Die Skala ergibt sich auch, wenn man auf dem Graphen des Logarithmus die Werte an den Stellen zwischen
markiert und diese Punkte auf die Achse projiziert.
Im ist der Abstand zwischen zwei Punkten
eine positive reelle Zahl (bzw. gleich falls die Punkte zusammenfallen). Wenn die beiden Punkte in Koordinaten gegeben sind, also
so ist der Abstand gleich
Diese Gleichung beruht auf dem Satz des Pythagoras. Speziell besitzt jeder Punkt
zum Nullpunkt den Abstand
Weil die Koordinaten reelle Zahlen sind, so sind auch die Abstände reelle Zahlen (auch wenn man mit rationalen Koordinaten startet, ergeben sich über die Quadratwurzel auch irrationale Zahlen). Wenn ein Punkt und eine positive reelle Zahl fixiert sind, so nennt man die Menge aller Punkte der Ebene, die zu den Abstand besitzen, den Kreis um mit Radius In Koordinaten sieht die Definition folgendermaßen aus.
Es sei
und
Dann nennt man die Menge
den Kreis (oder die Kreislinie oder die Sphäre) mit dem und dem
Von Kreislinie spricht man, um zu betonen, dass man nicht den Vollkreis (die Kreisscheibe) meint, sondern nur den Rand. Alle Kreise sind wesensgleich, es kommt für die wichtigsten Eigenschaften des Kreises nicht auf den Mittelpunkt und nicht auf den Radius an. Von daher ist der Einheitskreis der einfachste Kreis, der alle Kreise repräsentiert.
Die Menge
heißt der
Es ist bekannt, dass der Kreisbogen des Einheitskreises die Länge und den Flächeninhalt besitzt. Dies sind nichttriviale Aussagen, und zwar sowohl strategisch als auch mathematisch. Das strategische Problem ist hier, was man als Definition nimmt und was man dann unter Bezug auf die Definitionen beweisen kann und wie. Sowohl die Länge einer gekrümmten Kurve als auch der Flächeninhalt sind zwar intuitiv zugängliche, aber letztlich doch recht schwer zu fundierende Begriffe. Dasselbe trifft auf den Winkelbegriff zu. Wir werden hier mit einem naiv-intuitiven Begriff von Kurvenlänge arbeiten und darauf aufbauend den Winkel und die trigonometrischen Funktionen einführen.
Unter der Zahl versteht man die Hälfte des Kreisumfanges des Einheitskreises.
Der numerische Wert von ist etwa
Es handelt sich um eine transzendente Zahl, also keine algebraische Zahl (und erst recht keine rationale Zahl).
Mit dem Begriff des Winkels ist die Vorstellung verbunden, dass man einen Vollkreis gleichmäßig in bzw. die Kreislinie gleichmäßig in Abschnitte () unterteilen kann. Diese Vorstellung ist mit der Vorstellung verwandt, dass man das Einheitsintervall in gleichlange Stücke unterteilen kann. Allerdings kann man letzteres aufgrund der Strahlensätze durch eine einfache geometrische Konstruktion für jedes
durchführen (siehe die 24. Vorlesung), für den Kreisbogen hingegen nur für einige wenige
Bei der Kreisunterteilung in Grad zerlegt man den Kreis in gleichgroße Sektoren. Im nimmt man die Länge des gebogenen Kreisabschnittes als Winkelmaß. D.h. der volle Kreis entspricht gemäß der Definition der Kreiszahl der Halbkreis (die beiden Sektorengrenzen liegen auf einer Geraden) entspricht der Viertelkreis entspricht der Achtelkreis entspricht
Der durch einen Kreisbogen der Länge
definierte Winkel heißt Winkel im Bogenmaß
Ein Winkel, also die Länge eines zusammenhängenden Kreisbogenstücks, kann man grundsätzlich überall an den Kreisbogen anlegen. Wenn man Winkel untereinander vergleichen und studieren möchte, so wählt man den Punkt
(also die auf der Achse)
als Startpunkt und läuft den als Bogenmaßlänge gegebenen Winkel gegen den Uhrzeigersinn entlang bis zu einem Punkt mit der Eigenschaft, dass die Bogenlänge von bis genau ist.
Zu einem Winkel (im Bogenmaß) nennt man denjenigen Punkt auf dem Einheitskreis, den man erreicht, wenn man sich auf dem Kreis in startend gegen der Uhrzeigersinn auf dem Kreisbogen lange bewegt, den trigonometrischen Punkt zu diesem Winkel.
Diesen Punkt nennen wir auch den Durch ihn wird der nämlich der Kreisbogen von
der nämlich die Halbgerade durch den Nullpunkt und den Standardpunkt, und der nämlich der durch die Achse und den Standardstrahl gegebene Sektor, festgelegt. Diese Zuordnung kann man von
(worauf sie bijektiv ist) auf ganz ausdehnen. Die Zahl gibt einfach vor, welche Strecke man auf dem Einheitskreis durchlaufen muss. Bei negativem läuft man mit dem Uhrzeigersinn los.
Zu einem Winkel mit dem zugehörigen trigonometrischen Punkt zu kann man das (senkrechte) Lot auf die Achse fällen und erhält dadurch ein rechtwinkliges Dreieck mit der Verbindungsstrecke zwischen Nullpunkt und trigonometrischem Punkt als Hypotenuse und mit einer Kathete auf der Achse. Man nennt dies das zum Winkel Die am Nullpunkt anliegende Kathete nennt man auch die zu und die gegenüberliegende Kathete nennt man die zu (diese Bezeichnungen sind nur bei Winkeln bis passend). Die (eventuell negativ genommenen) Längen dieser Katheten sind zugleich die Koordinaten des trigonometrischen Punktes. Mit den trigonometrischen Funktionen untersucht man die Abhängigkeit dieser Koordinaten vom Winkel (im Bogenmaß).
Zu einem Winkel versteht man unter die erste Koordinate des trigonometrischen Punktes
Zu einem Winkel versteht man unter die zweite Koordinate des trigonometrischen Punktes
Somit besitzt der trigonometrische Punkt die Koordinaten
Wenn sämtliche Winkel durchläuft, durchläuft den Einheitskreis. Die Zuordnung
bildet also eine des Einheitskreises, die auf definiert ist, für den Nullwinkel
im Einspunkt startet und sich bei
erstmalig wieder in diesem Punkt befindet.
Wir besprechen die wichtigsten Eigenschaften der trigonometrischen Funktionen.
Die Funktionen
und
besitzen für
folgende Eigenschaften.
- Es gilt für alle
- Es ist
- Es ist
- Die erste Eigenschaft ist klar, da nach Definition ein Punkt auf dem Einheitskreis ist.
- Folgt aus (1).
- Ein negativer Winkel ist so zu verstehen, dass man vom Punkt aus startend mit dem Uhrzeigersinn entlang des Kreisbogens läuft. Somit ergibt sich die (Kreisbogen)-Bewegung zu wenn man die Bewegung zu an der Achse spiegelt. Da der Kosinus die Koordinate von ist, ändert er sich nicht bei Spiegelung an der Achse, und da der Sinus die Koordinate von ist, wird daraus bei dieser Spiegelung das Negative.
Die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion erfüllen in folgende Periodizitätseigenschaften.
- Es ist und für alle
- Es ist und für alle
- Es ist und für alle
- Es ist und
- Es ist und
- Die ersten Eigenschaften folgen unmittelbar aus da nach Definition von eine Volldrehung beschreibt.
- Wenn man zu einem Winkel den Winkel hinzuaddiert, so bedeutet dies, eine Halbdrehung um den Nullpunkt bzw. eine Punktspiegelung am Nullpunkt durchzuführen. Dabei werden die Koordinaten von in ihr Negatives umgewandelt.
- Eine Winkeladdition von bedeutet eine Vierteldrehung von gegen den Uhrzeigersinn. Wegen der schon gezeigten Aussagen genügt es, diese Aussage für Winkel zwischen zu zeigen. Die trigonometrischen Dreiecke zu und zu sind kongruent, und zwar ist der am Nullpunkt anliegende Winkel des zweiten Dreiecks gleich Somit ist die Ankathete des zweiten Dreiecks, die auf der negativen Achse liegt, gleich der Gegenkathete des ersten Dreiecks.
- Dies sind einfach die Koordinaten nach einer Viertel-, Halb- und Dreivierteldrehung.
- Ebenso.
induziert eine bijektive, streng wachsende Funktion
und die reelle Kosinusfunktion induziert eine bijektive streng fallende Funktion
Für zwischen
liegt auf der rechten Kreishälfte. Diese Punkte stehen in Bijektion zu diesen Winkeln und in Bijektion zum Wert der (senkrechten) Projektion auf die Achse, also zum Sinus von
Eine Drehung der reellen Ebene um den Nullpunkt um den Winkel gegen den Uhrzeigersinn bildet den ersten Standardvektor auf den trigonometrischen Punkt
und den zweiten Standdardvektor auf ab. Da es sich um lineare Abbildungen handelt, werden ebene Drehungen durch die folgenden Drehmatrizen beschrieben.
Für die trigonometrischen Funktionen
und
gelten die Additionstheoreme
und
Die Hintereinanderschaltung der Drehung um den Winkel und der Drehung um den Winkel ist die Drehung um den Winkel Nach Satz 35.15 wird diese Hintereinanderschaltung durch das Matrixprodukt der beiden Drehmatrizen beschrieben. Somit ist aufgrund einer einfachen Matrizenmultiplikation
Betrachten der Komponenten in der ersten Spalte ergibt die Behauptung.
Mit den Additionstheoremen können wir die Stetigkeit der trigonometrischen Funktionen beweisen.
Wegen Satz 54.9 (3) genügt es, die Aussage für den Sinus zu zeigen. Wir zeigen zuerst die Stetigkeit des Sinus im Nullpunkt. Nach Aufgabe 54.16 ist
Daraus folgt direkt die Stetigkeit im Nullpunkt. Aufgrund von Satz 54.8 (1) folgt daraus auch die Stetigkeit des Kosinus im Nullpunkt. Zum Nachweis der Stetigkeit des Sinus in einem beliebigen Punkt
verwenden wir das Folgenkriterium. Es sei also eine gegen konvergente Folge, die wir als
mit einer Nullfolge schreiben. Aufgrund des Additionstheorems für den Sinus gilt
Aufgrund der Vorüberlegung und den Rechenregeln für konvergente Folgen konvergiert dieser Ausdruck gegen
Wir erwähnen abschließend noch die analytischen Ausdrücke für die trigonometrischen Funktionen Kosinus und Sinus.
Für
heißt
die Kosinusreihe und
die Sinusreihe zu
In einem streng-analytischen Aufbau der trigonometrischen Funktionen und von der auf geometrische Intuition verzichtet, fängt man mit diesen Definitionen an und erarbeitet sich dann die Beziehung zum Einheitskreis. Man muss zunächst zeigen, dass diese Reihen konvergieren. Mit diesem Zugang erhält man dann insbesondere, dass die trigonometrischen Funktionen nicht nur stetig, sondern auch differenzierbar sind.
Zum Abschluss dieser Vorlesung beschäftigen wir uns mit Wahrscheinlichkeitstheorie, und zwar mit diskreter Wahrscheinlichkeitstheorie. Mit diskret ist gemeint, dass die möglichen Werte (Ausgänge) eines in einer endlichen Menge liegen und Wahrscheinlichkeiten prinzipiell durch ein erhalten werden können. Insofern geht es um elementare Kombinatorik, aber doch unter neuen Gesichtspunkten und mit neuen Sprechweisen. Wenn man eine Münze wirft, so kann Kopf oder Zahl fallen, und es gibt keinen Grund, warum das eine häufiger als das andere eintreten sollte. Bei einem einzelnen Wurf kann natürlich nur ein Ereignis eintreten. Wenn man den Münzwurf oft wiederholt, so kann man im Allgemeinen beobachten, dass die Anzahl der Kopfwürfe in der Nähe der Anzahl der Zahlwürfe liegt. Aber schon die Präzisierung dieser Aussage ist nicht unmittelbar klar. Wenn man beispielsweise mal wirft, und es tritt mal Kopf ein, was heißt das? Die Abweichung von Kopfwürfen zu Zahlwürfen ist immerhin
also jedenfalls größer als bei einem Wurf. Ein sinnvolles Vergleichsmaß ist
also der Quotient aus der Anzahl der Kopfwürfe und der Gesamtzahl der Durchführungen (Würfe). Dieser Quotient heißt und ist relativ nah an Es ist eine Erfahrungstatsache, dass diese relative Häufigkeit bei wachsender Durchführungsanzahl gegen Diese Aussage ist aber vage und keine Konvergenzaussage. Dennoch ist diese Vorstellung die Motivation für die folgende Begriffsbildung, mit der man wiederum das Verhalten bei oft durchgeführten vom abhängigen Experimenten erklären und quantitativ erfassen kann.
Diese Benennung verwendet man eigentlich nur, wenn man eine wahrscheinlichkeitstheoretische Interpretation beabsichtigt. Statt diskrete Wahrscheinlichkeitsdichte sagt man auch Unter sollte man sich die möglichen Ausgänge eines Experimentes vorstellen, wobei die Wahrscheinlichkeit angibt, dass bei dem Experiment der Ausgang gleich ist. Das Ereignis tritt also mit Wahrscheinlicheit ein. Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses wird also durch eine reelle Zahl zwischen
ausgedrückt, bei Wahrscheinlichkeit spricht man von einem und bei Wahrscheinlichkeit von einem Gelegentlich drückt man Wahrscheinlichkeiten auch mit Prozentzahlen aus.
Auf einer endlichen Menge sei eine diskrete Wahrscheinlichkeitsdichte
gegeben. Dann nennt man jede Teilmenge
ein Ereignis und man nennt
die Wahrscheinlichkeit von
Ein Element
nennt man auch ein
Eine endliche Menge zusammen mit einer fixierten diskreten Wahrscheinlichkeitsdichte
und mit der Potenzmenge aller Ereignisse nennt man einen endlichen Wahrscheinlichkeitsraum
Auf einem endlichen Wahrscheinlichkeitsraum
heißt die Abbildung
ein endliches Wahrscheinlichkeitsmaß
Man spricht manchmal auch von einer statt von einem Wahrscheinlichkeitsmaß.
Auf einer endlichen Menge sind eine Wahrscheinlichkeitsdichte und ein Wahrscheinlichkeitsmaß äquivalente mathematische Objekte. Die Dichte definiert für jedes Ereignis
das Maß
und umgekehrt ist durch das Maß über
eine Wahrscheinlichkeitsdichte festgelegt.
Wir betrachten die Menge
mit der Wahrscheinlichkeitsdichte
Es gibt Ereignisse. Die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses ist beispielsweise
die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses ist
Eine leere Menge kann kein Wahrscheinlichkeitsraum sein, bei einer einelementigen Menge muss der einzige Punkt die Wahrscheinlichkeit besitzen. Bei einer zweielementigen Menge spricht man von einer Bernoulli-Verteilung.
Es sei
Die endliche Wahrscheinlichkeitsdichte auf
mit
und
heißt Bernoulli-Verteilung
Es sei ein endlicher Wahrscheinlichkeitsraum.
Dann gelten folgende Aussagen.
- Es ist und
- Für Teilmengen ist
- Für (paarweise) disjunkte Ereignisse , ist
- Für das komplementäre Ereignis zu einem Ereignis gilt
- Für zwei Ereignisse ist
Es sei die zugehörige Wahrscheinlichkeitsdichte.
- Die leere Summe ist gleich die zweite Eigenschaft gehört zur Definition einer endlichen Wahrscheinlichkeitsdichte.
- Ist klar, da die Werte der Dichte nichtnegativ sind.
- Es ist
- Folgt aus (3).
- Folgt aus (3), da man disjunkt in die drei Mengen und zerlegen kann und somit ist.
Die Eigenschaft (2) heißt die und die Eigenschaft (3) heißt die eines Wahrscheinlichkeitsmaßes.
Es sei eine endliche Menge. Dann nennt man die Wahrscheinlichkeitsdichte
die jedem Element
den konstanten Wert zuweist, die Laplace-Dichte auf Die Menge versehen mit dieser Dichte heißt Laplace-Raum
Bei einem Laplace-Raum sind alle Elementarereignisse gleichwahrscheinlich, deshalb spricht man auch von der Das zugehörige Wahrscheinlichkeitsmaß, das auch genannt wird, ist besonders einfach, es ist
d.h., es wird einfach der relative Anteil von an gemessen. Insofern wird hier das Berechnen von Wahrscheinlichkeiten auf das Zählen von Teilmengen zurückgeführt. Bei Formulierungen wie aus einer endlichen Menge setzt man als Laplace-Raum an.
Der Laplace-Raum zum einfachen Münzwurf besteht aus zwei Elementen, Kopf und Zahl, also
und die Laplace-Dichte ist konstant gleich also
Beide Elementarereignisse sind also gleichwahrscheinlich mit Wahrscheinlichkeit Es gibt nur vier Ereignisse, nämlich und die Gesamtmenge die leere Menge hat Wahrscheinlichkeit die Gesamtmenge hat Wahrscheinlichkeit
Ein Münzwurf ist zugleich eine Bernoulli-Verteilung und ein Laplace-Experiment.
Der Laplace-Raum zu einem einfachen Würfelwurf mit einem fairen Würfel besteht aus sechs Elementen, die den Seiten des Würfels entsprechen, und werden üblicherweise mit durchnummeriert, es ist also
Die Laplace-Dichte ist konstant gleich also
für alle Die Elementarereignisse sind also gleichwahrscheinlich mit Wahrscheinlichkeit Es gibt
also Ereignisse. Beispielsweise sind
Ereignisse. Ihre Wahrscheinlichkeiten sind einfach zu berechnen, beispielsweise ist
In Beispiel 13.9 haben wir die Anzahl der Möglichkeiten berechnet, Kugeln aus Kugeln zu ziehen, und zwar gibt es
Möglichkeiten, da es so viele sechselementige Teilmengen gibt. Diese haben alle die gleiche Wahrscheinlichkeit, somit liegt ein Laplace-Raum vor, wobei die einzelnen Elementarereignisse, also eine bestimmte Ziehung, die Wahrscheinlichkeit
besitzen.
Wenn man sich für die Wahrscheinlichkeit interessiert, dass die gezogen wird, so muss man alle sechselementigen Teilmengen zählen, in denen die vorkommt. Da die festgelegt ist, geht es um die Anzahl der fünfelementigen Teilmengen der Menge diese Anzahl ist durch gegeben. Die Wahrscheinlichkeit ist also
was man sich auch so klar machen kann: Die Wahrscheinlichkeit, dass die zuerst gezogene Zahl eine ist, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die als zweite gezogene Zahl eine ist, beträgt ebenfalls u.s.w., und aufsummieren der disjunkten Ereignisse liefert auch
Wenn man sich für die Wahrscheinlichkeit interessiert, dass sowohl die als auch die gezogen werden, so muss man alle sechselementigen Teilmengen zählen, in denen die und die vorkommen. Dies ergibt die Wahrscheinlichkeit
Die Ziehung der Zahlen beim Zahlenlotto ist gleichwahrscheinlich wie die Ziehung der Zahlen Dennoch scheint das zweite Ergebnis typischer als das erste zu sein. Das ist aber allein eine psychologisch bedingte Sichtweise. Bei einem zufälligen Experiment erwartet man einen chaotischen Ausgang ohne irgendeine Regelmäßigkeit, man erwartet nicht, im Ergebnis ein Muster zu erkennen. Man muss auch die Formulierung ernst nehmen. Es wird gesagt, dass die Ziehung von genau so wahrscheinlich ist wie die Ziehung von genau den sechs konkreten Zahlen Es wird nicht gesagt, dass die Ziehung von (etwas wie)
gleichwahrscheinlich ist mit der Ziehung Es gibt natürlich nur mögliche Ziehungen
(von über bis ), bei denen sechs hintereinanderliegende Zahlen gezogen werden, dieses Ereignis ist also sehr unwahrscheinlich.
Es ist ziemlich schwer, genau zu charakterisieren, was man unter verstehen soll, oder was man unter einer typischen . Betrachtet man ebenfalls als musterfrei, oder hält man das für ein außergewöhnliches Ergebnis, da immerhin zwei aufeinanderfolgende Zahlen gezogen wurden? Es ist jedenfalls erstaunlich, wie oft man im Zufälligen doch noch eine kleine Beobachtung des scheinbar Besonderen machen kann. In ist beispielsweise die Differenz der ersten drei Zahlen konstant gleich
Beim Skat wird mit Karten gespielt, wobei drei Spieler je zehn Karten bekommen und zwei Karten in den gehen. Unter den Karten spielen die vier Buben eine besondere Rolle. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Spieler sämtliche Buben bekommt? Die Anzahl der möglichen die Spieler bekommen kann, beträgt Die Anzahl der Hände, die alle vier Buben umfassen, sind Daher ist die Wahrscheinlichkeit, alle Buben zu bekommen, gleich
Das sind ungefähr
Mit Lemma 55.8 lässt sich häufig die Wahrscheinlichkeit einfacher berechnen, insbesondere die unscheinbare Komplementregel ist hilfreich. Wenn man beispielsweise die Wahrscheinlichkeit wissen möchte, dass in einer Lottoziehung die gezogenen Zahlen nicht alle in einer Reihe liegen, so könnte man ins Grübeln kommen, wie man diese Ereignismenge geschickt abzählt. Dagegen ist das Komplement einfach zu erfassen, davon gibt es nämlich Stück und die Wahrscheinlichkeit davon ist somit Die komplementäre Wahrscheinlichkeit ist also